Leitsatz (redaktionell)
Das bei der Regelausbildung zum Volksschullehrer erforderliche sechssemestrige Studium an einer Pädagogischen Hochschule erfüllt nicht die Voraussetzungen einer förderungsfähigen Maßnahme der beruflichen Fortbildung (AFG §§ 41 ff) oder der beruflichen Umschulung (AFG § 47).
Orientierungssatz
1. Zur Frage der Förderung des Studiums einer Hausfrau an der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe.
2. Zur Frage der Überschreitung der Förderungshöchstdauer.
Normenkette
AFG § 47 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 3 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1969-12-18; AFuU 1969 § 3 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1969-12-18; AFuU § 6 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1969-12-18; AFuU 1969 § 6 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1969-12-18; AFG § 41 Fassung: 1969-06-25
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 08.04.1974; Aktenzeichen L 1 Ar 13/73) |
SG Koblenz (Entscheidung vom 26.02.1973; Aktenzeichen S 4 Ar 114/72) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. April 1974 und das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 26. Februar 1973 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Förderung ihres Studiums - Ausbildung zur Lehrerin - an der Pädagogischen Hochschule (PH) durch die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Nach Ablegung des Abiturs und anschließender halbjähriger Privatschul-Ausbildung zur Arzthelferin heiratete die Klägerin im Oktober 1966 und war bis zur Aufnahme des Studiums an der PH W am 15. Oktober 1969 ausschließlich im eigenen Haushalt - sie hat zwei Kinder - tätig. Sie schloß das Studium, für das sie keine Förderung nach anderen gesetzlichen Vorschriften erhielt, am 10. November 1972 mit der 1. Staatsprüfung ab.
Den Antrag der Klägerin auf Förderung nach dem AFG lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 3. Mai 1972 und Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1972 mit der Begründung ab, es handele sich bei dem Studium nicht um eine erwachsenenspezifische Bildungsmaßnahme.
Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat durch Urteil vom 26. Februar 1973 die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin ab 15. Oktober 1969 für die Dauer des Studiums an der PH Leistungen zur beruflichen Umschulung nach dem AFG zu zahlen. Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat nach Beweisaufnahme über den Zeitpunkt der Antragstellung die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen und zur Begründung folgendes ausgeführt:
Das Studium der Klägerin sei als Maßnahme der beruflichen Umschulung anzusehen; die von ihr angestrebte Tätigkeit unterscheide sich wesentlich sowohl von dem von ihr erlernten Beruf einer Arzthelferin als auch von dem bisher von ihr ohne besondere Ausbildung ausschließlich ausgeübten Hausfrauenberuf. Nach dreijähriger Tätigkeit im eigenen Haushalt erfülle die Klägerin die Voraussetzungen für die Förderung einer Umschulung. Die nur für den Bereich der beruflichen Fortbildung getroffene Regelung in § 2 Abs. 6 Satz 3 der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 (AFuU 1969), wonach ein üblicherweise mit einem Hochschulabschluß endendes Studium nicht gefördert werden kann, sei für eine Umschulung auch nicht entsprechend anzuwenden. Es gehöre auch nicht zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Umschulungsförderung, daß die Bildungsmaßnahme "erwachsenenspezifisch" gestaltet, insbesondere kürzer sein müsse, als der normale Ausbildungsgang. Wenn nach § 47 Abs. 3 Satz 2 AFG auch "in der Regel" nur Maßnahmen gefördert werden, die nicht länger als zwei Jahre dauern, so werde dadurch eine Maßnahme von längerer Dauer nicht ausgeschlossen, wenn und solange es kürzere Maßnahmen für bestimmte Bildungszwecke nicht gebe. Das Studium der Klägerin, das ihren Eintritt in das Berufsleben außerhalb des eigenen Haushalts und ihren beruflichen Aufstieg ermögliche, sei auch arbeitsmarktpolitisch zweckmäßig. Daß die Klägerin eine Beamtenstellung erstrebe, stehe weder der Zweckmäßigkeit der Umschulung noch ihrer Eigenschaft als Arbeitsuchende (§ 47 AFG) entgegen. Auch die übrigen Voraussetzungen für die begehrte Förderung der Umschulung seien hier erfüllt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Förderungsantrag bereits am 20. Januar 1970 gestellt worden; nach § 24 AFuU 1969 seien daher die Leistungen rückwirkend vom Beginn des Studiums an zu gewähren. Es sei unschädlich, daß das auf drei Jahre berechnete Studium der Klägerin einige Wochen länger gedauert habe, weil die Abschlußprüfung aus hochschulinternen Gründen, auf die sie keinen Einfluß gehabt habe, hinausgeschoben worden sei. Bei der Förderung eines dreijährigen Studiums handele es sich zwar um eine Ermessensleistung der Beklagten, jedoch sei eine andere Entscheidung der Beklagten als die Gewährung der Förderung in diesem Falle ermessensfehlerfrei nicht möglich. Daher sei dem Leistungsbegehren der Klägerin in vollem Umfang zu entsprechen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Verletzung der §§ 44, 45, 47 AFG und des § 3 AFuU 1969. Sie bringt hierzu insbesondere vor: Das Studium der Klägerin könne nur unter den Voraussetzungen der Umschulungsförderung gefördert werden. Nach § 47 AFG müsse die Maßnahme das Ziel haben, den Übergang in eine andere berufliche Tätigkeit zu ermöglichen. Der erfolgreiche Abschluß des Studiums an der PH ermögliche aber noch nicht (unmittelbar) die Ausübung einer irgendwie für den Arbeitsmarkt bedeutsamen Tätigkeit. Nach den maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften eröffne nämlich die 1. Staatsprüfung nur den Zugang zu einem einjährigen Vorbereitungsdienst. Unter Einbeziehung dieses Vorbereitungsdienstes würde aber die nach § 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969 auf drei Jahre begrenzte Höchstdauer überschritten werden.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Koblenz vom 26. Februar 1973 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß die Voraussetzungen für die Förderung ihrer beruflichen Umschulung entsprechend den Ausführungen des LSG in dem angefochtenen Urteil gegeben seien. Sie habe Ende 1973 die 2. Staatsprüfung für das Lehramt bestanden und sei jetzt voll als Lehrerin im Volksschuldienst tätig. Ein auf zwei Jahre verkürztes Studium nach dem sog. "Mikatsystem" habe sie nicht mehr mitmachen können, weil diese Regelung z.Zt. ihres Studienbeginnes schon ausgelaufen sei. Ihre berufliche Umschulung sei bereits mit Ablegung der Hochschulprüfung abgeschlossen worden; nur für die dreijährige Studienzeit begehre sie die Förderung. Ihre Tätigkeit im ersten Jahr sei nicht mehr als Umschulung anzusehen, weil sie dabei schon wöchentlich 12 Stunden selbständig Unterricht erteilt habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die durch ausdrückliche Zulassung statthafte und auch im übrigen zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Förderung ihres Studiums an der PH durch die Beklagte. Das Studium der Klägerin kann nicht nach § 40 AFG als Ausbildung gefördert werden, weil es sich dabei nicht um eine berufliche Ausbildung in einem Betrieb oder in einer überbetrieblichen Einrichtung handelt, auch nicht um einen Grundausbildungs- oder Förderungslehrgang oder um eine andere berufsvorbereitende Maßnahme dieser Art, wie es § 40 AFG voraussetzt. Eine Förderung kommt hier vielmehr nur in Betracht, wenn das Studium die Voraussetzungen einer förderungsfähigen Maßnahme der beruflichen Fortbildung (§§ 41 ff AFG) oder der beruflichen Umschulung (§ 47 AFG) erfüllt. Das ist jedoch nicht der Fall. Ein Anspruch auf Fortbildungsförderung scheitert bereits am Fehlen der nach § 41 Abs. 1 AFG erforderlichen Zugangsvoraussetzungen für das Studium an der PH, das weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine angemessene Berufserfahrung zwingend voraussetzt. Zutreffend ist das LSG der Auffassung, daß die berufliche Entwicklung der Klägerin über das Studium an der PH zur Lehrerin - gleich, ob man von der bisherigen Tätigkeit als Hausfrau oder der voraufgegangenen kurzen Ausbildung als Arzthelferin ausgeht - unter dem Gesichtspunkt der beruflichen Umschulung zu betrachten ist.
Als berufliche Umschulung fördert die Beklagte nach § 47 Abs. 1 AFG die Teilnahme von Arbeitsuchenden an Maßnahmen, die das Ziel haben, den Übergang in eine andere geeignete berufliche Tätigkeit zu ermöglichen. Dabei kann es im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die persönlichen Voraussetzungen für die Förderung einer Umschulungsmaßnahme erfüllt. Die Förderung ihres Studiums an der PH scheitert jedenfalls davon, daß dieses Studium ihr nicht den Übergang in eine "andere geeignete berufliche Tätigkeit" i.S. des § 47 Abs. 1 AFG ermöglicht. Aus dem dort umschriebenen Ziel der Umschulungsmaßnahme geht hervor, daß die Maßnahme nicht zu irgendeiner späteren Tätigkeit führen soll, sondern zum Ziel haben muß, die Verbesserung der beruflichen Mobilität und beruflichen Qualifikation als Mittel zum Schutz gegen Arbeitslosigkeit und zur Deckung des Bedarfs an geeigneten Arbeitskräften in der durch technischen Fortschritt und Strukturwandel sich ändernden Wirtschaft zu sichern (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines AFG, BT-Drucks. V/2291, Teil A III 4 a, S. 54, 55; Schriftlicher Bericht über den Entwurf zu BT-Drucks. V/4110 I 2, S. 3). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Umschüler nach der erfolgreichen Teilnahme an der Bildungsmaßnahme wieder qualifiziert dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, d.h. wie das Wort "Übergang" es im § 47 Abs. 1 AFG ausdrückt, wenn er nunmehr - und zwar unmittelbar nach Beendigung der Umschulungsmaßnahme - eine andere, geeignete berufliche Tätigkeit ausüben kann. Geeignet in diesem Sinne kann aber nur eine berufliche Tätigkeit sein, die den Ansprüchen sowohl des Umschülers als auch des allgemeinen Arbeitsmarktes im Sinne einer Verbesserung der beruflichen Beweglichkeit und der Sicherung vor Arbeitslosigkeit gerecht wird, und zwar nicht nur für einen erkennbar vorübergehenden Zeitraum, sondern für eine zunächst jedenfalls unbestimmte Zeit. Die Umschulung muß also zu einem für die Aufnahme einer auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Berufstätigkeit ausreichenden beruflichen Abschluß führen. Dabei sind nicht die subjektiven Zielvorstellungen des Umschülers selbst von Bedeutung; vielmehr kommt es auf die objektiven Gegebenheiten des Arbeitsmarktes an. Von diesen Voraussetzungen ausgehend, führt das Studium an der PH nicht dazu, der Klägerin den Übergang in eine andere geeignete - nach Abschluß auf dem Arbeitsmarkt verwertbare - berufliche Tätigkeit zu ermöglichen. Dies ergibt sich aus den landesrechtlichen Vorschriften über die Lehrerausbildung. Zwar hat das LSG insoweit keine Feststellungen getroffen, der erkennende Senat ist jedoch befugt, im Rahmen der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 47 Abs. 1 AFG die landesrechtlichen Vorschriften selbst heranzuziehen, weil sie das LSG völlig unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 7, 122, 125; 31, 275, 278; 34, 163, 166; SozR Nr. 7 zu § 657 RVO; BSG, Urteil vom 21. Mai 1974 - 7 RAr 15/72 -). Nach den Ausbildungsregelungen der einzelnen Bundesländer wird im Anschluß an das Studium an der PH stets noch eine schulpraktische Tätigkeit verlangt (vgl. die einen Fall aus Nordrhein-Westfalen betreffende Entscheidung des Senats vom 21. Mai 1974 - 7 RAr 15/72 - mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Dabei ist es für die Entscheidung des Rechtsstreites unerheblich, wie dieser Vorbereitungsdienst bezeichnet wird, welchen rechtlichen Status der Bewerber um das Lehramt in dieser Zeit erlangt und in welchem Umfang er dabei auch schon Lehrtätigkeit mit auszuüben vermag. Rechtlich bedeutsam ist allein, daß die auf dem Arbeitsmarkt verwertbare "andere geeignete berufliche Tätigkeit", nämlich die eines Lehrers, mit Abschluß des pädagogischen Studiums allein noch nicht aufgenommen werden kann, weil die Qualifikation hierfür ohne einen weiteren Bildungsabschnitt nicht erreicht wird. Insofern dient das Studium an der PH nicht dem Übergang i.S. des § 47 Abs. 1 AFG in den neuen Beruf. Es kann für sich allein nach dieser Vorschrift nicht als Umschulungsmaßnahme angesehen werden. Der Übergang i.S. des § 47 Abs. 1 AFG wird erst durch den erfolgreichen Abschluß des Vorbereitungsdienstes ermöglicht. Dieser muß somit als eine zum eigentlichen Abschluß führende Bildungsmaßnahme mitberücksichtigt werden; das bedeutet, daß die Umschulungsmaßnahme, die den Übergang von einem anderen Beruf in den des Volksschullehrers ermöglicht, sich aus Studium und schulpraktischer Tätigkeit zusammensetzt. Der Umstand, daß die Umschulungsmaßnahme aus zwei Teilen besteht, hindert zwar die Förderung nur eines einzelnen Teiles nicht, sofern für die Gesamtmaßnahme die Voraussetzungen des Förderungsanspruches gegeben sind. Das ist bei der Regelausbildung zum Volksschullehrer - also auch bei der Klägerin - nicht mehr der Fall, denn die Maßnahme (Studium und schulpraktische Tätigkeit) überschreitet den für die Förderungsfähigkeit einer Umschulungsmaßnahme zugelassenen Zeitraum von drei Jahren (§ 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969). Das Überschreiten dieses Zeitraumes nimmt der Umschulung insgesamt den Charakter einer förderungsfähigen Maßnahme (BSGE 36, 1, 3).
Der erkennende Senat hat seine Rechtsprechung, wonach das Studium an einer PH als Teil der Regelausbildung zum Volksschullehrer nach dem AFG nicht zu fördern ist, in weiteren Urteilen fortgesetzt, die Fälle aus verschiedenen Bundesländern, insbesondere auch aus den für die Klägerin in Betracht kommenden Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz (hierzu: Urteile vom 7. August 1974 - 7 RAr 6/73 und 30/73) betreffen. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung.
Die von der Beklagten angefochtenen Urteile des LSG und des SG sind daher aufzuheben; die Klage ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen