Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 23.06.2014; Aktenzeichen 5 A 230/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 986,70 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Rz. 2
Als Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO macht die Beschwerde geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO), den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und seine Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) verletzt. Das Oberverwaltungsgericht habe seiner Entscheidung ohne ausreichende Sachaufklärung die Tatsache zugrunde gelegt, dass das in der Globalberechnung 2006 ermittelte Betriebskapital des Beklagten auch Anlagen erfasse, die vor dem 3. Oktober 1990 hergestellt worden seien und für die bis 2009 kein Finanzbedarf bestanden habe. Diese Tatsache sei aufklärungsbedürftig gewesen. Die Globalberechnung 2006 enthalte keine Altanlagen, die vor dem 1. Juli 1990 hergestellt worden seien. Es habe sich bei der Angabe „01.07.1990” auf Seite 13 der Berechnung um einen offensichtlichen Schreibfehler gehandelt. Aus den weiteren Ausführungen der Globalberechnung zu den Altanlagen ergebe sich, dass der Beklagte Altanlagen gemeint habe, die vor dem 3. Oktober 1990 errichtet worden seien. Dies hätte sich dem Oberverwaltungsgericht aufdrängen müssen, da die Globalberechnung unter Nr. 7.3 auf die Grundsatzentscheidung des Berufungsgerichts vom 21. Oktober 1999 – 2 S 551/99 – verweise, wonach Altanlagen solche vor dem 3. Oktober 1990 errichteten Anlagen seien. Außerdem sei nicht vorstellbar, dass innerhalb des Zeitraums vom 1. Juli 1990 bis zum 2. Oktober 1990 acht Abwasseranlagen hergestellt werden konnten. Tatsächlich seien die in der Globalberechnung unter dem Baujahr 1990 berücksichtigten Anlagen erst nach dem 3. Oktober 1990 gebaut worden. Mit diesem Vorbringen ist keiner der gerügten Verfahrensfehler in der erforderlichen Weise bezeichnet.
Rz. 3
Das Oberverwaltungsgericht ist aufgrund der auf Seite 13 der Globalberechnung unter Nr. 7.3 enthaltenen Aussage, „Altanlagen, d.h. Anlagen, die vor dem 01.07.1990 hergestellt wurden, sind nicht mit ihren Wiederbeschaffungszeitwerten in die Kostenseite der Kalkulation einzustellen”, davon ausgegangen, dass bei der Ermittlung des höchstzulässigen Betriebskapitals die Wiederbeschaffungszeitwerte der vor dem 1. Juli 1990 hergestellten Anlagen entgegen der im Zeitpunkt der Aufstellung der Berechnung geltenden Rechtslage aus der Globalberechnung ausgenommen worden sind (UA Rn. 4 und 20). Es ist allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass das Fehlen einer vollständigen, die Altanlagen einbeziehenden Berechnung des höchstzulässigen Betriebskapitals gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 SächsKAG unschädlich sei, da bei einer Berücksichtigung von Altanlagen das höchstzulässige Betriebskapital und damit der höchstzulässige Beitragssatz noch höher ausgefallen wären, als bisher vom Beklagten mit der Globalberechnung 2006 ermittelt (UA Rn. 21). Danach war die Frage, ob die Angabe „01. Juli 1990” zutraf, insoweit für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich, und ein etwaiger Fehler bei der Sachverhaltsaufklärung oder der Überzeugungsbildung könnte nicht zur Zulassung der Revision führen.
Rz. 4
Für beachtlich hat das Oberverwaltungsgericht hingegen die unterlassene Ermittlung des angemessenen Beitragssatzes gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 Sächs-KAG erachtet. Auch in Fällen, in denen der bei der Globalberechnung gewählte Prognosezeitraum mit dem geplanten Endausbauzustand zusammenfalle, könne eine Kontrollrechnung notwendig sein, um eine Überfinanzierung der gesamten Einrichtung im Endausbauzustand zu verhindern. Ob eine derartige Kontrollberechnung bei einer bis zum Endausbauzustand reichenden Globalberechnung ausnahmsweise unterbleiben könne, sofern Überfinanzierungen von vornherein ausgeschlossen seien, könne dahinstehen. Denn nach der Globalberechnung 2006 umfasse die Abwassereinrichtung des Beklagten „solche vor dem 3. Oktober 1990 hergestellten Altanlagen, für die bis 2009 kein Finanzbedarf bestand” (UA Rn. 23 a.E.).
Rz. 5
Ein Aufklärungsmangel oder ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz liegt auch insoweit nicht vor. Mit der in Randnummer 23 a.E. wiedergegebenen Formulierung hat das Oberverwaltungsgericht entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht inzident die Aussage getroffen, dass die Globalberechnung Altanlagen umfasse, die zwischen dem 1. Juli 1990 und dem 2. Oktober 1990 errichtet worden seien. Es hat mit dieser Formulierung in der Urteilsbegründung vielmehr eine Feststellung zum Gesamtbestand der Abwassereinrichtung des Beklagten getroffen und diese auf die Globalberechnung 2006 gestützt. Dieser hat es entnommen, dass auch Altanlagen zum Bestand der Abwassereinrichtung gehören. Das steht im Einklang mit dem zweiten Absatz in Nr. 7.3 der Globalberechnung. Dort wird ausgeführt, es seien keine vor 1990 gebauten Anlagen in die Kostenseite der Kalkulation eingestellt worden, weil im Prognosezeitraum keine Investitionen „an diesen Altanlagen” geplant gewesen seien. Im Übrigen stellt auch die Beschwerde das Vorhandensein von Altanlagen in der Abwassereinrichtung des Beklagten nicht in Abrede. Danach bestand, ausgehend vom materiell-rechtlichen Ansatz des Oberverwaltungsgerichts, wonach ein Verzicht auf die Kontrollrechnung allenfalls dann zu erwägen ist, wenn eine Überfinanzierung von vornherein deshalb ausgeschlossen werden kann, weil die Abwassereinrichtung keine Altanlagen umfasst, keine Notwendigkeit zur Aufklärung der Frage, ob es sich bei der Datumsangabe in Nr. 7.3 der Globalberechnung um einen bloßen Schreibfehler handelte. Darauf hat das Oberverwaltungsgericht inzwischen auch in einem weiteren den Beklagten betreffenden Beschluss vom 1. April 2015 – 5 A 235/13 – (juris Rn. 28) hingewiesen.
Rz. 6
Konnte vom rechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts aus die Frage offen bleiben, ob es sich bei der Datumsangabe in Nr. 7.3 der Globalberechnung um einen Schreibfehler oder ein sonstiges Versehen handelte, scheidet insoweit auch ein Verstoß gegen die gerichtliche Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) aus.
Rz. 7
Ohne Erfolg bleibt die Beschwerde auch, soweit sie als weiteren Verstoß gegen die Aufklärungspflicht und die Hinweispflicht rügt, das Oberverwaltungsgericht hätte eine Kontrollberechnung selbst vornehmen können. Ob das Gericht gegen die Pflicht zur Amtsermittlung verstoßen hat, ist ausgehend von seiner materiellrechtlichen Auffassung zu beurteilen. Danach scheidet hier eine Aufklärungsund Hinweispflichtverletzung aus. Das Oberverwaltungsgericht hat eine Nachberechnung durch das Gericht aus materiell-rechtlichen Gründen für ausgeschlossen erachtet. Es hat § 18 Abs. 2 Satz 2 SächsKAG die Aussage entnommen, dass die Kontrollberechnung eine Ermessensentscheidung der zuständigen Organe des Beklagten erfordere, die nicht durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden könne. Es hat dies damit begründet, dass es der Aufgabenträger in der Hand habe, den gesamten Finanzbedarf für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung der Beitragserhebung zugrunde zu legen oder durch eine andere zeitliche Anknüpfung bestimmte Investitionen davon auszunehmen. Für die vorliegende Fallkonstellation hat es außerdem darauf abgestellt, dass angesichts des vom Rechtsvorgänger des Beklagten gewählten Fonds-Betreibermodells und dessen Rückabwicklung mittels Ergänzungsvereinbarung für die Bestimmung des Investitionszeitraums und damit des beitragsrelevanten Finanzbedarfs verschiedene zeitliche Anknüpfungspunkte gewählt werden könnten. Die Angriffe der Beschwerde wenden sich ausschließlich gegen die Tragfähigkeit dieser rechtlichen Würdigung und versuchen darzutun, dass eine Nachberechnung durch das Oberverwaltungsgericht sehr wohl möglich gewesen sei. Damit ist eine Verletzung der Aufklärungs- bzw. Hinweispflicht nicht dargetan.
Rz. 8
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Bier, Prof. Dr. Korbmacher, Steinkühler
Fundstellen