Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 28.08.2018; Aktenzeichen 4 A 1133/17) |
VG Dresden (Urteil vom 12.04.2016; Aktenzeichen 2 K 2102/15) |
Gründe
Rz. 1
Der Kläger begehrt den Anschluss seines Grundstücks an die zentrale öffentliche Abwasserentsorgung der Beklagten. Sein Grundstück grenzt nicht an die öffentliche Straße an, sondern ist durch das Nachbargrundstück der Beigeladenen über ein im Grundbuch eingetragenes Wegerecht erschlossen. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, einen Grundstücksanschluss an die zentrale Abwasserentsorgung für das Grundstück des Klägers unter Inanspruchnahme des im Grundbuch für das Grundstück der Beigeladenen eingetragenen Wegerechts zu errichten. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Es hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Rz. 2
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
Rz. 3
1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Dazu hätte der Kläger eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwerfen müssen, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme. Das leistet der Kläger nicht.
Rz. 4
Die von ihm aufgeworfenen Fragen,
"ob durch eine nachträgliche Satzung das einmal bestehende Recht des Klägers auf Anschluss an die öffentliche Abwasserleitung rückwirkend beseitigt werden kann",
und
"ob nach Erlass eines verwaltungsgerichtlichen Urteils ohne Zulassung der Berufung eine Satzung im Rahmen des Berufungsverfahrens (aufgrund nachträglicher Zulassung) aus diesen Gründen das verwaltungsgerichtliche Urteil aufgrund der neuen Satzung, die nach dem Urteil aufgestellt wurde, zur Grundlage für die Entscheidung genommen werden kann",
sowie
"ob die Rückwirkung einer Satzung nach Erlass eines verwaltungsgerichtlichen Urteils und nach schriftlichen Zusagen der Behörde möglich ist",
wären in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Sie gehen zudem von Annahmen aus, die dem angegriffenen Urteil nicht zugrunde liegen. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Kläger den Anschluss seines Grundstücks an die zentrale öffentliche Abwasserentsorgung der Beklagten beanspruchen kann, auf der Grundlage der im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Satzung vom 10. Oktober 2016 - verneinend - beantwortet. Es hat weiterhin ausgeführt, nichts anderes gelte, wenn für die Entscheidung die ursprüngliche Satzung der Beklagten vom 8. Dezember 2008 heranzuziehen wäre. Daher kam es für das Berufungsgericht auf die Frage, welche Satzung für die Beurteilung der Rechtslage heranzuziehen war, im Ergebnis nicht an. Zugleich hat das Berufungsgericht zu erkennen gegeben, dass es die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das der Klage auf der Grundlage der ursprünglichen Satzung vom 8. Dezember 2008 stattgegeben hatte, nicht teilt. Dass der Kläger diese Rechtsauffassung des Berufungsgerichts als "rechtsfehlerhaft" kritisiert, betrifft lediglich die Rechtsanwendung im Einzelfall, ohne der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu verleihen. Darüber hinaus ist das den Kläger begünstigende Urteil des Verwaltungsgerichts nicht in Rechtskraft erwachsen (vgl. § 121 VwGO), so dass er daraus kein "bestehendes Recht auf Anschluss an die öffentliche Abwasserleitung" ableiten kann. Die Änderung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils im Instanzenzug führt auch nicht auf verfassungsrechtliche Fragen der Rückwirkung. Die vom Kläger behauptete schriftliche Zusage der Behörde, die die Beklagte zum Anschluss des klägerischen Grundstücks an die zentrale Abwasserentsorgungsanlage verpflichtete, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Rz. 5
2. Die sinngemäß geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht dargetan. Dieser Zulassungsgrund ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder ein anderes Divergenzgericht aufgestellt haben, genügt den Darlegungsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. April 2012 - 8 B 86.11 - Buchholz 430.4 Berufsständisches Versorgungsrecht Nr. 54 Rn. 12 und vom 26. Juli 2016 - 10 B 15.15 - juris Rn. 5, je m.w.N.).
Rz. 6
Nach diesem Maßstab hat der Kläger eine Divergenz nicht dargelegt. Er macht geltend, das angegriffene Berufungsurteil weiche vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2003 - 9 CN 2.02 - (Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 42) ab. Dieses Urteil betrifft den Vertrauensschutz gegenüber der rückwirkenden Neueinführung eines Fremdenverkehrsbeitrags. Es hält Abgabengesetze, die in schon abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen, nur insoweit für zulässig, als der Vertrauensschutz ausnahmsweise keinen Vorrang beansprucht. Ein derartiger Fall sogenannter echter Rückwirkung liegt aber dem angegriffenen Berufungsurteil nicht zugrunde. Vielmehr hat das Berufungsgericht die Satzung vom 10. Oktober 2016 für sein Urteil für maßgeblich gehalten, weil sich diese Rechtsvorschriften im Zeitpunkt seiner Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimaßen und keine Übergangsregelungen enthielten (UA Rn. 24). Die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2003 - 9 CN 2.02 - erörterte Rückwirkungsproblematik stellte sich für das Berufungsgericht daher nicht.
Rz. 7
3. Das Vorbringen des Klägers führt auch nicht auf einen Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Der Kläger beanstandet als Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), dass das Oberverwaltungsgericht die Anwendbarkeit der neuen Satzung in der mündlichen Verhandlung zwar erörtert, ihm jedoch keine Möglichkeit zu einer späteren rechtlichen Stellungnahme gegeben habe. Damit legt er einen Verfahrensfehler nicht dar. Ein Beschwerdeführer, der geltend macht, er habe sich zu einer bestimmten Frage nicht äußern können, muss schlüssig und substantiiert darlegen, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2016 - 4 B 45.15 - juris Rn. 76 m.w.N.). Das leistet der Kläger nicht. Abgesehen davon lässt sich dem Sitzungsprotokoll nicht entnehmen, dass der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung einen Schriftsatznachlass (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 283 Satz 1 ZPO) beantragt hätte, um sich das aus seiner Sicht gebotene rechtliche Gehör zu verschaffen. Darüber hinaus hatte die Beklagte bereits mit der Berufungsbegründung vom 2. Januar 2018 die Satzung vom 10. Oktober 2016 nebst Satzungsunterlagen zu den Akten gereicht, so dass ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter damit rechnen musste, dass diese Satzung im weiteren Prozessverlauf Gegenstand rechtlicher Erörterung werden würde.
Rz. 8
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13366793 |