Leitsatz (amtlich)
Ein Anordnungsgrund für die Gewährung von Betreuungsurlaub im Wege der einstweiligen Anordnung entfällt, wenn der Antragsteller für den gewünschten Bewilligungszeitraum Anspruch auf Elternzeit nach § 28 Abs. 7 SG hat.
Normenkette
SG § 28 Abs. 5, 7; VwGO § 123
Tatbestand
Der Antragsteller, ein Oberstabsarzt, beantragte im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Bundesministers der Verteidigung (BMVg), ihm unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge für die Dauer von 15 Monaten Betreuungsurlaub zu gewähren.
Der Senat hat den Antrag abgelehnt.
Entscheidungsgründe
Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag auf Gewährung eines 15-monatigen Betreuungsurlaubs keine vorläufige Maßnahme, sondern die Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache. Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. Beschlüsse vom 14. Dezember 1989 – BVerwG 2 ER 301.89 – ≪Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15≫ und vom 13. August 1999 – BVerwG 2 VR 1.99 – ≪BVerwGE 109, 258 [262] = Buchholz 11 Art. 44 GG Nr. 2≫) und kommt nur ausnahmsweise aus Gründen des Gebotes effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) in Betracht, nämlich dann, wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller schlechthin unzumutbar wäre.
Dies setzt nach gefestigter Rechtsprechung des Senats unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs voraus, dass das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich anzustellenden summarischen Prüfung bei Anlegung eines strengen Maßstabes an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird (vgl. Beschlüsse vom 17. Juni 1992 – BVerwG 1 WB 46.92 – ≪DokBer B 1993, 197≫ und vom 24. August 1993 – BVerwG 1 WB 56.93 – ≪BVerwGE 93, 389 [390] = NZWehrr 1994, 211≫; vgl. weiter Beschluss vom 13. August 1999 – BVerwG 2 VR 1.99 – ≪a.a.O.≫). Für das zweite Begründetheitselement einer einstweiligen Anordnung, den Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), bedeutet dies, dass der Antragsteller glaubhaft machen muss, dass ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschlüsse vom 19. Oktober 1977 – 2 BvR 4276 – ≪ BVerfGE 46, 166 [179]≫ und vom 25. Oktober 1988 – 2 BvR 745/88 – ≪BVerfGE 79, 69 [74]≫).
Jedenfalls hieran fehlt es. Der Antragsteller stellt in den Mittelpunkt seines Rechtsschutzbegehrens die Sorge um die Betreuung seines Sohnes B… ab dem 1. Juni 2004. Diese könnte jedoch auch ohne die Gewährung von Betreuungsurlaub (§ 28 Abs. 5 SG) im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gewährleistetet werden. Denn dem Antragsteller stünde als rechtliche Alternative die Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 28 Abs. 7 SG) für seine 2003 geborene Tochter A… zur Verfügung, auf die er einen zwingenden, nicht vom Ermessen seines Dienstherrn abhängigen Anspruch hat und dessen Erfüllung vom BMVg auch nicht in Zweifel gezogen wird. Zwar unterscheidet sich die Elternzeit in ihrer rechtlichen Ausgestaltung insofern von dem Betreuungsurlaub, als sie zur Verlängerung der Dienstzeit eines Soldaten, der – wie der Antragsteller – Elternzeit nach einer mit einem Studium von mehr als sechs Monaten Dauer verbundenen militärischen Ausbildung nimmt, führt (§ 40 Abs. 4 SG). Dieser Nachteil träte aber nicht ein, wenn die Elternzeit, wie vom Antragsteller in seinem Antrag ausdrücklich klargestellt, nur “vorsorglich und nur für den Fall, dass mir Betreuungsurlaub … nicht gewährt wird”, beantragt und dabei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Antrag auf Betreuungsurlaub aufrechterhalten wird. Hat der Antragsteller mit seinem Verpflichtungsbegehren auf Gewährung von Betreuungsurlaub in der Hauptsache Erfolg, hätte der BMVg der gerichtlichen Verurteilung Folge zu leisten und die Urlaubsgewährung rückwirkend der ausjudizierten rechtlichen Grundlage anzupassen, also die gewährte Elternzeit in einen Betreuungsurlaub umzuwandeln. Rechtliche Hindernisse bestünden insoweit nicht, da Urlaub tatsächlich gewährt und genommen worden wäre und nur seine rechtliche Qualifizierung und die davon abhängenden Rechtsfolgen nachträglich der in der Hauptsache ausjudizierten Rechtslage angepasst werden müssten.
Kann sich demnach der Antragsteller dadurch selbst helfen, dass er bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag auf Gewährung von Betreuungsurlaub “vorsorglich” Elternzeit in Anspruch nimmt, fehlt es am Anordnungsgrund für eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache. Dass er dabei riskieren muss, im Falle seines Unterliegens in der Hauptsache die gewährte Elternzeit in Ermangelung eines Anspruchs auf Betreuungsurlaub “nachdienen” zu müssen, stellt schon in Anbetracht der durchschnittlichen Verfahrensdauer vor dem Senat von nur dreieinhalb Monaten keinen schweren und unzumutbaren Nachteil dar, der eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache rechtfertigen könnte.
Soweit der Antragsteller darauf hinweist, er sei hinsichtlich der Ausübung einer Nebentätigkeit bei gewährter Elternzeit schlechter gestellt als bei gewährtem Betreuungsurlaub, bleibt sein Vortrag angesichts der weitgehend inhaltsgleichen Regelungen in § 28 Abs. 5 Satz 4 SG (vgl. zu seiner Anwendung das vom Antragsteller im Beurlaubungsantrag vom 14. Oktober 2003 zitierte Fernschreiben des BMVg – FüS I 3 – vom 28. Juli 2003) und § 4 der Verordnung über die Elternzeit für Soldaten i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. August 2001 (BGBl I S. 2287 = VMBl S. 183) nebst Nr. 15 der dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen vom 27. Juli 2001 (VMBl S. 168) unsubstantiiert und lässt die Darlegung eines schweren und unzumutbaren Nachteils vermissen.
Fundstellen
ZBR 2005, 314 |
NZWehrr 2005, 166 |