Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 2 A 479/97) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. September 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 24 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt erfolglos.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerinnen auf Erteilung eines Aufnahmebescheides verneint, weil die Klägerin zu 1 keine deutsche Volkszugehörige im Sinne des § 6 Abs. 2 BVFG sei: Bestätigende Merkmale im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG seien ihr nicht vermittelt worden, wie sich insbesondere daraus ergebe, daß Deutsch weder ihre Muttersprache noch ihre bevorzugte Umgangssprache geworden sei. Weiterhin erfülle die Klägerin zu 1 auch nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BVFG, weil sie bei Ausstellung ihres ersten Inlandspasses als Nationalität „ukrainisch” angegeben habe. Dies sei auch freiwillig geschehen, nämlich nach den Angaben der Klägerin zu 1 aus Ehrfurcht vor dem Vater und wegen der Vorteile, die die ukrainische Nationalität habe bringen können. Dieses Gegenbekenntnis habe seine rechtliche Ausschlußwirkung auch nicht dadurch verloren, daß sich die Klägerin zu 1 später um eine Änderung des Nationalitäteneintrags in „deutsch” bemüht habe.
Im Hinblick hierauf wirft die Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zunächst Fragen im Zusammenhang mit den in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG genannten Bestätigungsmerkmalen und der auf sie bezogenen Fiktion des § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG auf. Darauf ist nicht weiter einzugehen, weil das Berufungsgericht die geltend gemachten Ansprüche mit der selbständig tragenden Begründung auch deswegen verneint hat, weil die Klägerin zu 1 auch die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BVFG erforderliche Erklärung zur deutschen Nationalität nicht abgegeben bzw. kein Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgelegt habe. Die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde angesprochene Frage, „wann und unter welchen Umständen die nichtdeutsche Nationalität, die in den Paß eingetragen worden ist, von einem Bekenntnis oder einer Erklärung im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BVFG ausgegangen werden kann”, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hingegen hinreichend geklärt und damit nicht mehr klärungsbedürftig (vgl. Urteile vom 29. August 1995 – BVerwG 9 C 391.94 – BVerwGE 99, 133 ≪140 f.≫; vom 12. November 1996 – BVerwG 9 C 8.96 – BVerwGE 102, 214 ≪217 f.≫; Urteil vom 17. Juni 1997 – BVerwG 9 C 10.96 – BVerwGE 105, 60 ≪62 f.≫). Die Zulassung der Revision im Verfahren BVerwG 5 B 125.99 (= BVerwG 5 C 25.99) betraf eine andere Fallgestaltung (Erklärung zur deutschen Nationalität in der Forma I und späterer Wechsel zur russischen Nationalität). Die weitere in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, wann eine Erklärung als „Lippenbekenntnis” oder „Scheinerklärung” angesehen werden kann, beurteilt sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls und ist daher einer rechtsgrundsätzlichen Klärung durch das Revisionsgericht entzogen.
Grundsätzlich geklärt sind auch die von der Beschwerde angesprochenen Fragen nach der Anwendbarkeit des Bundesvertriebenengesetzes in seiner alten oder seiner neuen Fassung (vgl. Urteil vom 29. August 1995 – BVerwG 9 C 391.94 – a.a.O., S. 135 f.). Die von der Beschwerde angeführten Umstände begründen keinen weiterreichenden Vertrauensschutz im Sinne einer verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer Beibehaltung der bei Antragstellung oder der im Ablehnungszeitpunkt bestehenden Rechtslage.
Soweit die Beschwerde weiterhin meint, es sei „grundsätzlich zu klären, ob die Verweigerung der Eintragung als ‚sonstige Personen’ in den erteilten Aufnahmebescheid der Mutter der Kläger mit der jetzigen und auch mit der damaligen Rechtslage in Einklang steht und nicht gegen Art. 3 GG verstößt”, vermag dieses Vorbringen allein schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision zu führen, weil ein Begehren der Klägerinnen auf Einbeziehung in den ihrer Mutter bzw. Großmutter erteilten Aufnahmebescheid nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Ihre diesbezügliche Klage ist vielmehr durch Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. Oktober 1996 in dem Verfahren 4 K 5096/95 rechtskräftig abgewiesen worden, nachdem die Kläger ihre Berufung am 30. Juni 1999 zurückgenommen haben.
Auch die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
Soweit die Beschwerde eine Verletzung der Aufklärungspflicht darin erblickt, daß das Berufungsgericht die Mutter der Klägerin zu 1 nicht – wie hilfsweise beantragt – darüber vernommen habe, daß der ukrainische Nationalitäteneintrag gegen den Willen der Klägerin zu 1 erfolgt sei, legt sie schon nicht dar, welche konkreten entscheidungserheblichen Tatsachen die Mutter bekundet hätte. Das Vorbringen, es sei nicht auszuschließen, daß ein anderes Ergebnis erzielt worden wäre, reicht dazu nicht aus. Schließlich läßt sich offensichtlich eine Verletzung der Aufklärungspflicht in zulässiger Weise nicht mit dem Vorbringen begründen, die Schlüsse, die das Berufungsgericht aus den von der Klägerin zu 1 angegebenen Gründen für die Angabe der ukrainischen Nationalität gezogen habe, seien mit der allgemeinen Logik nicht zu vereinbaren.
Das Berufungsgericht brauchte auch das ebenfalls hilfsweise beantragte Gutachten zu der Behauptung nicht einzuholen, daß deutsche Volkszugehörige in der ehemaligen Sowjetunion auch noch im Jahre 1974 im Bildungssystem benachteiligt worden seien. Das Berufungsgericht ist unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 1997 – BVerwG 9 C 10.96 – (BVerwGE 105, 60 ≪63≫) zutreffend davon ausgegangen, daß eine – gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen – zu erstellende Prognose, ob eine Angabe der deutschen Nationalität bei Ausstellung des ersten Inlandspasses für den jeweiligen Aufnahmebewerber mit schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden gewesen wäre, voraussetzt, daß zu diesem Zeitpunkt ein bestimmtes Berufsziel wenigstens in Umrissen feststand. Es ist – was hier nicht geschehen ist – Sache des Aufnahmebewerbers, dies darzulegen. Erst dann kann – je nach Lage des Falles – zur Erstellung der Prognose die Einholung eines Gutachtens in Betracht kommen. Hingegen sind die Verwaltungsgerichte nicht verpflichtet, die allgemeinen Verhältnisse im Aussiedlungsgebiet aufzuklären, wenn das individuelle Vorbringen des Klägers dazu keinen Anlaß gibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Pietzner, Dr. Bender
Fundstellen