Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 24.02.2017; Aktenzeichen 9 K 75.15) |
Gründe
Rz. 1
Die Klägerin erstrebt ihre Rehabilitierung nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) wegen der willkürlichen Vorenthaltung einer Beteiligung an Schallplattenverkaufserlösen.
Rz. 2
Die Klägerin war eine erfolgreiche Sängerin der DDR im Bereich der Unterhaltungsmusik. Unter anderem spielte sie zwischen 1975 und 1980 mit ihrer Band vier Schallplatten ein, die unter dem Label AMIGA vom VEB Deutsche Schallplatten Berlin produziert wurden. Nach eigenen Angaben erhielt die Klägerin für jedes eingespielte Lied pauschal 500 Mark (Ost), jedoch keine weitere Umsatzbeteiligung. Von den Schallplatten wurden insgesamt etwa 1,5 Mio. Stück verkauft. Im Jahr 1981 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland über, 1983 wurde sie antragsgemäß aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen. Ihren Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung begründete sie im Wesentlichen damit, dass ihr der Anteil von 10% am Umsatz der Langspielplatten vorenthalten worden sei. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27. November 2013 ab, da keine einzelfall- oder personenbezogene politische Verfolgung vorgelegen habe. Widerspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Verweigerung einer Verkaufsbeteiligung sei keine hoheitliche Maßnahme im Sinne des § 1 VwRehaG gewesen. Vielmehr sei eine privatvertragliche Vereinbarung mit dem VEB Deutsche Schallplatten AMIGA Grundlage für die erste und alle weiteren Schallplattenproduktionen gewesen. Auch wenn in der Verweigerung einer Umsatzbeteiligung eine hoheitliche Maßnahme liegen sollte, sei diese jedenfalls nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 VwRehaG mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar. Unabhängig davon, ob die Höhe der Vergütung angemessen gewesen sei, liege ein Verstoß gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin die Vereinbarung aus eigenem Willensentschluss eingegangen sei und sie nicht nach § 70 Zivilgesetzbuch DDR angefochten habe. Zudem gebe es keine Anhaltspunkte, die die Verweigerung einer höheren Umsatzbeteiligung als Repressionsmaßnahme von erheblicher Intensität erscheinen ließen, unabhängig davon, dass die Klägerin ab 1980 unter einer intensiveren Beobachtung durch die Staatssicherheit gestanden habe. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Klägerin Opfer eines rechtsstaatswidrigen Willküraktes im Einzelfall geworden sei. Anderen Künstlern sei es nach ihren eigenen Angaben ebenso ergangen. Schließlich könne nicht festgestellt werden, dass die Folgen der verweigerten Erlösbeteiligung noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirkten.
Rz. 3
Die auf Verfahrensmängel und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.
Rz. 4
1. Die geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.
Rz. 5
a) Die Rüge, das angefochtene Urteil enthalte nachweisbar unzutreffende Tatsachenbehauptungen, führt nicht auf einen Verfahrensmangel.
Rz. 6
Soweit im Urteil bestimmter Vortrag der Klägerin als unsubstanziiert bezeichnet worden ist (UA S. 8), handelt es sich um eine rechtliche Bewertung des Verwaltungsgerichts, nicht um eine Tatsachenfeststellung. Die Beschwerde zielt damit auf Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung, die revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzuordnen sind und daher grundsätzlich keinen Verfahrensmangel ergeben (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht nur ergänzend auf die Unsubstantiiertheit der Behauptung abgehoben, in erster Linie aber den Vortrag der Klägerin, andere Künstler seien besser vergütet worden, als wahr unterstellt. Von daher kann es keine Auswirkungen auf die Urteilsfindung gehabt haben, sollte das Verwaltungsgericht, wie die Beschwerde weiter geltend macht, verfahrensfehlerhaft protokolliert oder missverstanden haben, was die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung ihrer als wahr unterstellten Behauptungen vorgebracht hat.
Rz. 7
b) Der nach materiellem Recht zu beurteilenden Sachverhalts- und Beweiswürdigung zuzuordnen ist weiter die Beantwortung der Frage, ob das Verwaltungsgericht zu Recht eine privatrechtliche Vereinbarung der Klägerin mit dem VEB Deutsche Schallplatten Berlin angenommen hat. Die Beschwerde zeigt nichts dafür auf, dass das Verwaltungsgericht zu dieser Bewertung verfahrensfehlerhaft gekommen ist. Ein Anhaltspunkt hierfür ergibt sich nicht daraus, dass die Vereinbarung, die die Klägerin selbst behauptet hat, mit einem Volkseigenen Betrieb zustande gekommen ist. In der DDR konnten staatliche Stellen privatvertragliche Vereinbarungen schließen. Davon ist der Gesetzgeber des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausgegangen. Das zeigt etwa das Merkmal "hoheitlich" in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG, das die rehabilitierungsfähigen Maßnahmen auf öffentlich-rechtliche beschränkt und damit von privatrechtlichen Handlungen der Behörde abgrenzt (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1998 - 3 C 39.97 - Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 13 S. 29). Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht die Verneinung einer hoheitlichen Maßnahme auch auf die nicht erzwungene Mitwirkung der Klägerin an der Vereinbarung gestützt und damit das Merkmal der (einseitigen) Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG verneint. Eine Mitwirkung der Klägerin in Fortführung der ursprünglichen (schriftlichen) Vereinbarung mit dem VEB hat das Verwaltungsgericht auch bei der Produktion der weiteren Schallplatten zugrunde gelegt (UA S. 5). Das ist ohne Weiteres nachvollziehbar und wird von der Beschwerde nicht mit einer durchgreifenden Revisionsrüge angegriffen; denn ohne einvernehmliche Mitwirkung der Klägerin hätten die weiteren Schallplatten nicht gegen Zahlung von 500 Mark (Ost) pro Lied hergestellt werden können. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht bei dieser Bewertung nicht stehengeblieben, sondern hat geprüft, ob die Vereinbarung unter einem der DDR zurechenbaren Druck zustande gekommen ist, die ihren Abschluss als politische Verfolgung erscheinen lassen könnte (UA S. 7 f.).
Rz. 8
c) Das Verwaltungsgericht musste den Inhalt der von der Klägerin behaupteten Vereinbarung nicht weiter aufklären. Das folgt schon daraus, dass es die Behauptungen der Klägerin hierzu als wahr unterstellt hat. Für die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts genügte, was die Klägerin zum Inhalt der Vereinbarung vorgetragen hatte. Dass auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die insoweit maßgebend ist, weitergehende Feststellungen zum vereinbarten Inhalt für die Entscheidung erforderlich gewesen wären, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen.
Rz. 9
d) Auf das von der Klägerin vorgetragene Rechenwerk zur Zahl der verkauften Schallplatten, zum Erlös und zu der danach potenziell vorenthaltenen Beteiligung musste das Verwaltungsgericht nicht eingehen. Dieses "Zahlenwerk" war nach seiner Rechtsauffassung nicht entscheidungserheblich. Ein Aufklärungsbedarf, dessen Nichterfüllung einen Verfahrensmangel hätte begründen können, bestand insoweit nicht und ist von der Beschwerde auch nicht aufgezeigt worden.
Rz. 10
e) Ein Verfahrensmangel ist schließlich nicht mit Blick auf die weiteren Ausführungen im angefochtenen Urteil dargelegt, die Vorenthaltung einer prozentualen Beteiligung am Umsatz sei, wenn man sie als hoheitliche Maßnahme betrachten wolle, jedenfalls nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar; sie verstoße nicht im Sinne der begrifflichen Konkretisierung in § 1 Abs. 2 VwRehaG "in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit" und sei auch kein Willkürakt im Einzelfall (UA S. 6 f.). Diese Erwägungen sind im Verhältnis zu der hauptsächlichen Begründung, es habe keine hoheitliche Maßnahme vorgelegen, erkennbar zusätzlich und selbstständig tragend angeführt. Bei einer solchen Mehrfachbegründung eines Urteils kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2014 - 3 B 24.13 - ZOV 2014, 56 Rn. 3 m.w.N.). Die hauptsächliche Begründung ist von der Beschwerde jedoch nicht durchgreifend infrage gestellt worden. Daher könnte eine zugelassene Revision selbst dann keinen Erfolg haben, wenn die beanstandeten Bewertungen des Verwaltungsgerichts zu § 1 Abs. 2 VwRehaG rechtlich unzutreffend wären.
Rz. 11
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Rz. 12
Mit ihrer Rüge, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit zahlreicher Fragen im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO auseinandergesetzt, verkennt die Beschwerde, dass eine fehlende Begründung der im Urteilstenor auszusprechenden und - wie hier richtig - ausgesprochenen Nichtzulassung der Revision schon deshalb kein Zulassungsgrund sein kann, weil sie am Sachergebnis des Klageverfahrens nichts ändern könnte. Mit der fehlenden Begründung der Nichtzulassung allein kann der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auch nicht dargelegt werden. Verneint das Verwaltungsgericht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist es Sache einer Beschwerde, die Rechtsirrigkeit dieser Auffassung darzutun (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dazu muss sie eine bestimmte fallübergreifende Rechtsfrage des revisiblen Rechts formulieren, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Diese Anforderungen erfüllt es nicht, lediglich Rechtsbegriffe des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes zu nennen (wie: hoheitliche Maßnahme, Unvereinbarkeit mit tragenden Grundsätzen des Rechtsstaates, unmittelbare Fortwirkung von Rechtsfolgen, Verhältnismäßigkeit, Willkürakte im Einzelfall). Vielmehr wäre es gerade angesichts der weitreichenden Klärung dieser Begriffe in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geboten gewesen, eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage zu diesen Begriffen aufzuwerfen, die noch der Klärung bedarf.
Rz. 13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12569524 |