Leitsatz
Im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses verlangte der Kläger Schadensersatz, weil ihm ein am 1.11.2002 beantragter Kostenfestsetzungsbeschluss des AG in vollstreckbarer Ausfertigung erst am 16.4.2003 übersandt wurde. Eine Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss war - anders als aus dem vorangegangenen Versäumnisurteil - nicht mehr möglich bzw. erfolgreich.
Das LG gab der Klage statt. Gegen das erstinstanzliche Urteil legte der Beklagte Berufung ein mit der Begründung, die hinreichende Personalausstattung von Behörden und Gerichten sei keine Amtspflicht gegenüber Dritten.
Sein Rechtsmittel hatte Erfolg.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Nach Auffassung des KG kann die Klage nicht darauf gestützt werden, der Haushalt des Landes für die Jahre 2002 und 2003 habe zu niedrige Ansätze für die Bezüge der Beamten und Angestellten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorgesehen. Bei der Verabschiedung des Haushalts nimmt der Gesetzgeber - mit wenigen Ausnahmen - ausschließlich Aufgaben ggü. der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt. An der insoweit ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH v. 7.7.1988 - III ZR 198/87, NJW 1989, 101) ist auch nach Auffassung des Senats festzuhalten. Es unterliegt dem Budgetrecht des Abgeordnetenhauses, zu entscheiden, in welchem Umfang vorhandene finanzielle Mittel zur personellen und sachlichen Ausstattung der Gerichte oder zur Erfüllung anderer staatlicher Aufgaben eingesetzt werden. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt zwar eine funktionsfähige Rechtspflege, wozu auch eine angemessene Personalausstattung der Gerichte gehört, an der hier gezweifelt werden kann. Hieraus folgt aber keine drittbezogene Amtspflicht gegenüber allen gegenwärtigen und zukünftigen Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, entsprechende Etatmittel einzusetzen.
Eine Amtspflicht des Abgeordnetenhauses gegenüber dem Kläger ergibt sich auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), wonach jedermann Anspruch darauf hat, dass seine Sache innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird. Die EMRK mit dem Rang eines einfachen Bundesgesetzes ist auch nicht geeignet, dem deutschen Gesetzgeber Pflichten aufzuerlegen.
Dem Beklagten kann auch eine Verletzung von Rechten des Klägers nicht angelastet werden. Vorhandene Mittel mussten anders als der Kläger meint, angesichts der Restbestände in der Schreibkanzlei auch nicht zwingend gleichmäßig für die Einstellung von Rechtspflegern und Schreibkräften verwandt werden. Auch die Zuteilung der zur Verfügung stehenden Rechtspfleger nach einem einheitlichen Schlüssel ist nicht zu beanstanden. Es kann nicht festgestellt werden, dass die dem Beklagten zur Verfügung stehenden Mitarbeiter ermessensfehlerhaft eingesetzt worden sind. Entgegen der Auffassung des Klägers musste der Bearbeitung von Kostenfestsetzungsanträgen keine Priorität gegenüber wirtschaftlich häufig bedeutsameren Grundbuch- oder Nachlassangelegenheiten eingeräumt werden.
Link zur Entscheidung
KG Berlin, Urteil vom 11.11.2005, 9 U 116/05