Dr. Hendrik Thies, Dr. Jan Henning Martens
Zusammenfassung
Die Länder Hamburg und Nordrhein-Westfalen möchten einen Gesetzesentwurf einreichen, der internationale Wirtschaftsprozesse vor deutschen Gerichten in englischer Sprache ermöglichen soll.
Hintergrund
§ 184 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bestimmt kurz und eindeutig: "Die Gerichtssprache ist deutsch". In jüngerer Zeit mehren sich Stimmen, die im internationalen Wirtschaftsverkehr die englische Sprache auch vor deutschen Gerichten zulassen wollen, jedenfalls für Wirtschaftsverfahren mit internationalem Bezug.
Anfang Februar hat der Hamburger Senat beschlossen, gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen erneut einen entsprechenden Gesetzesentwurf einzubringen. Ein erster Anlauf aus 2010 war nach dem Regierungswechsel "im Sande" verlaufen, obwohl der Bundesrat bereits zugestimmt hatte. Der Entwurf sieht die Einführung spezieller Kammern für internationale Handelssachen an deutschen Landgerichten vor. Vor diesen sollen künftig Wirtschaftsverfahren in englischer Sprache geführt werden können. Dies beträfe nicht nur die mündliche Verhandlung, sondern auch den gesamten Schriftsatzverkehr, das Protokoll und das Urteil.
Anmerkung
Es wäre zu begrüßen, wenn die Initiative sich jetzt durchsetzen könnte. Durchschlagenden Erfolg für deutsche Gerichte würde die Initiative aber aus unserer Sicht nicht bringen. Internationale Verträge werden üblicherweise in Englisch abgeschlossen, so dass im ordentlichen Gerichtsverfahren oft teure Übersetzungen nötig sind. Einige Gerichte sind zwar auch bislang sehr pragmatisch und lassen englische Unterlagen zur Untermauerung des Vorbringens genügen – die Gegenseite kann aber eine deutsche Übersetzung fordern und macht hiervon in der Praxis auch häufig Gebrauch.
Zunächst ist damit zu rechnen, dass grenzüberschreitende Verträge weiterhin regeln werden, dass die Streitigkeiten durch eine Schiedsorganisation (wie der DIS, ICC, WIPO etc.) zu entscheiden sind. Schiedsverfahren sind nämlich nicht der Öffentlichkeit zugänglich, so dass dort vertrauliche Informationen offengelegt werden können. Außerdem gibt es nur eine Instanz (was auch ein Nachteil sein kann, aber zu einem schnellen endgültigen Urteil führt). Der größte Vorteil für internationale Verfahren ist aber, dass Schiedsurteile nach dem New Yorker Übereinkommen zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in den meisten Ländern vollstreckt werden können. Das ist für deutsche Urteile bspw. in Südkorea nicht der Fall, und in den USA in einigen Staaten mit hohen Hürden (und Kosten) verbunden.
Dabei hat der deutsche Zivilprozess zahlreiche Vorteile auf seiner Seite. Er ist im internationalen Vergleich schnell, effizient und kostengünstig. Vor allem im Wettbewerbsrecht zieht er bereits jetzt durch die hohe Kompetenz der Spezialkammern internationale Streitigkeiten an. Bei einer erfolgreichen Initiative könnte der deutsche Gerichtsstand gerade für innereuropäische Streitigkeiten gestärkt werden – er wird aber in Verträgen immer Verhandlungssache bleiben.