Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen. Zu berücksichtigende Gesichtspunkte. Nationale Regelung. Fehlende Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte. Versagung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten wegen Vorstrafen des Betroffenen
Normenkette
Richtlinie 2003/109/EG Art. 6 Abs. 1
Beteiligte
Subdelegación del Gobierno en Barcelona |
Subdelegación del Gobierno en Barcelona |
Tenor
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats in der Auslegung durch einen Teil der Gerichte dieses Mitgliedstaats entgegensteht, nach der einem Drittstaatsangehörigen die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in diesem Mitgliedstaat allein wegen seiner Vorstrafen ohne konkrete Prüfung seines Falles insbesondere im Hinblick auf die Art des von diesem Drittstaatsangehörigen begangenen Verstoßes, die Gefahr, die er möglicherweise für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, die Dauer seines Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats und das Bestehen von Bindungen in diesem versagt werden kann.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Contencioso-Administrativo n.º 17 de Barcelona (Verwaltungsgericht Nr. 17 von Barcelona, Spanien) (C-503/19) und vom Juzgado de lo Contencioso-Administrativo n.º 5 de Barcelona (Verwaltungsgericht Nr. 5 von Barcelona, Spanien) (C-592/19) mit Entscheidungen vom 7. Juni 2019 und 15. Juli 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juli 2019 und 2. August 2019, in den Verfahren
UQ (C-503/19),
SI (C-592/19)
gegen
Subdelegación del Gobierno en Barcelona
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras (Berichterstatter), der Richter S. Rodin und D. Šváby, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters N. Piçarra,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der spanischen Regierung, vertreten durch L. Aguilera Ruiz als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Pardo Quintillán und C. Cattabriga als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. 2004, L 16, S. 44).
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen UQ (Rechtssache C-503/19) und SI (Rechtssache C-592/19) auf der einen und der Subdelegación del Gobierno en Barcelona (Vertretung der Regierung in Barcelona, Spanien) auf der anderen Seite über die Ablehnung der Anträge der Betroffenen auf Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Richtlinie 2003/109 enthält das Kapitel II („Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem Mitgliedstaat”) mit deren Art. 4 bis 13. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten erteilen Drittstaatsangehörigen, die sich unmittelbar vor der Stellung des entsprechenden Antrags fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten haben, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten.”
Rz. 4
Art. 5 der Richtlinie sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten verlangen vom Drittstaatsangehörigen den Nachweis, dass er für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen über Folgendes verfügt:
- feste und regelmäßige Einkünfte, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen. Die Mitgliedstaaten beurteilen diese Einkünfte anhand ihrer Art und Regelmäßigkeit und können die Höhe der Mindestlöhne und -renten beim Antrag auf Erteilung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten berücksichtigen;
- eine Krankenversicherung, die im betreffenden Mitgliedstaat sämtliche Risiken abdeckt, die in der Regel auch für die eigenen Staatsangehörigen abgedeckt sind.
(2) Die Mitgliedstaaten können von Drittstaatsangehörigen verlangen, dass sie die Integrationsanforderungen gemäß dem nationalen Recht erfüllen.”
Rz. 5
In Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109 heißt es:
„Die Mitgliedstaaten können die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit versagen.
Trifft ein Mitgliedstaat eine entsprechende Entscheidung, so berücksichtigt er die Schwere oder die Art des V...