Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste. Annullierung oder große Verspätung von Flügen. Befreiung von der Ausgleichspflicht. Außergewöhnliche Umstände. Allgemeiner Ausfall des Betankungssystems für Flugzeuge am Flughafen
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 5 Abs. 3
Beteiligte
SATA International – Azores Airlines |
SATA International – Azores Airlines SA |
Tenor
Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass ein allgemeiner Ausfall der Treibstoffversorgung als „außergewöhnlicher Umstand” im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann, wenn der Ausgangsflughafen der betroffenen Flüge oder des betroffenen Flugzeugs für die Verwaltung des Treibstoffsystems der Flugzeuge verantwortlich ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Judicial da Comarca dos Açores (Juízo Local Cível de Ponta Delgada – Juiz 4) (Bezirksgericht Azoren, Lokale Abteilung für Zivilsachen von Ponta Delgada – Dezernat 4, Portugal) mit Entscheidung vom 25. Januar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Mai 2021, in dem Verfahren
KU,
OP,
GC
gegen
SATA International – Azores Airlines SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Jääskinen, der Präsidentin der Dritten Kammer K. Jürimäe (Berichterstatterin) und des Richters N. Piçarra,
Generalanwalt: N. Emiliou,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch P. Barros da Costa, C. Chambel Alves, A. Luz und P. Pisco Santos als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, J. Heitz und M. Hellmann als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Santiago de Albuquerque und K. Simonsson als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen KU, OP und GC auf der einen und der SATA International – Azores Airlines SA (im Folgenden: SATA International) auf der anderen Seite über den Ausgleichsanspruch von Fluggästen nach dieser Verordnung infolge eines allgemeinen Ausfalls des Betankungssystems eines Flughafens, der zu einer Flugverspätung von mehr als drei Stunden bzw. zur Annullierung des Fluges geführt hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 1, 14 und 15 der Verordnung Nr. 261/2004 heißt es:
„(1) Die Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.
…
(14) Wie nach dem [am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen, von der Europäischen Gemeinschaft am 9. Dezember 1999 unterzeichneten und mit dem Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 (ABl. 2001, L 194, S. 38) in ihrem Namen genehmigten Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr] sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.
(15) Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Versp...