Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Beschluss der Europäischen Kommission betreffend Ausgleichsleistungen für sardische Flughäfen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen. Vorliegen rechtswidriger und mit dem Binnenmarkt unvereinbarer staatlicher Beihilfen, die von der Italienischen Republik über Flughafenbetreiber an Luftverkehrsunternehmen gewährt wurden. Begriff der staatlichen Beihilfe. Nachweis des Vorliegens eines Vorteils. Bestimmung seiner Höhe. Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers. Anwendbarkeit und Anwendung. Kriterium des privaten Erwerbers von Waren oder Dienstleistungen. Voraussetzungen. Beweislast
Normenkette
AEUV Art. 107 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 13. Mai 2020, Volotea/Kommission (T-607/17, EU:T:2020:180), wird aufgehoben.
2. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 13. Mai 2020, easyJet Airline/Kommission (T-8/18, EU:T:2020:182), wird insoweit aufgehoben, als das Gericht die Nichtigkeitsklage der easyJet Airline Co. Ltd als unbegründet abgewiesen hat.
3. Der Beschluss (EU) 2017/1861 der Europäischen Kommission vom 29. Juli 2016 über die staatliche Beihilfe SA33983 (2013/C) (ex 2012/NN) (ex 2011/N) – Italien – Ausgleichsleistungen für sardische Flughäfen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen (DAWI) wird insoweit für nichtig erklärt, als er zum einen die Volotea SA und zum anderen die easyJet Airline Co. Ltd betrifft.
4. Die Europäische Kommission trägt die in den Verfahren des ersten Rechtszugs und in den Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 22. und 23. Juli 2020,
Volotea SA mit Sitz in Barcelona (Spanien), vertreten durch M. Carpagnano, Avvocato, und Rechtsanwalt M. Nordmann,
Rechtsmittelführerin in der Rechtssache C-331/20 P,
easyJet Airline Co. Ltd mit Sitz in Luton (Vereinigtes Königreich), vertreten durch A. Manzaneque Valverde und J. Rivas Andrés, Abogados,
Rechtsmittelführerin in der Rechtssache C-343/20 P,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch D. Grespan, S. Noë, L. Armati und D. Recchia als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richterin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer (Berichterstatter),
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. April 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem jeweiligen Rechtsmittel beantragen die Volotea SA und die easyJet Airline Co. Ltd (im Folgenden: easyJet) die Aufhebung der Urteile des Gerichts der Europäischen Union vom 13. Mai 2020, Volotea/Kommission (T-607/17, im Folgenden: Urteil T-607/17, EU:T:2020:180), und vom 13. Mai 2020, easyJet Airline/Kommission (T-8/18, im Folgenden: Urteil T-8/18, EU:T:2020:182) (im Folgenden zusammen: angefochtene Urteile), mit denen das Gericht jeweils die Klage von Volotea und die Klage von easyJet, die auf die Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2017/1861 der Europäischen Kommission vom 29. Juli 2016 über die staatliche Beihilfe SA33983 (2013/C) (ex 2012/NN) (ex 2011/N) – Italien – Ausgleichsleistungen für sardische Flughäfen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen (DAWI) (ABl. 2017, L 268, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) gerichtet waren, abgewiesen hat.
Vorgeschichte der Rechtsstreitigkeiten
Rz. 2
Die Vorgeschichte der Rechtsstreitigkeiten, wie sie in den angefochtenen Urteilen und im streitigen Beschluss dargestellt wird, lässt sich für die Zwecke des vorliegenden Urteils wie folgt zusammenfassen.
Streitige Maßnahmen
Rz. 3
Auf der Insel Sardinien (Italien) gab es 2010 fünf Flughäfen, u. a. die Flughäfen Cagliari-Elmas (Italien) und Olbia (Italien).
Rz. 4
Der Flughafen Cagliari-Elmas wird von der So.G.Aer SpA (im Folgenden: Sogaer) betrieben, einer Gesellschaft, deren Kapital in der Zeit von 2010 bis 2013 (im Folgenden: Zeitraum 2010-2013) zu über 90 % von der Handelskammer Cagliari gehalten wurde, die eine öffentliche Einrichtung ist, die nicht der Kontrolle der Regione autonoma della Sardegna (Autonome Region Sardinien, Italien) (im Folgenden: Autonome Region) unterliegt. Der Flughafen Olbia wurde im selben Zeitraum von der Geasar SpA (im Folgenden: Geasar) betrieben, einer Gesellschaft, deren Kapital zu fast 80 % von einer privaten Gesellschaft, der Meridiana SpA, gehalten wurde.
Gesetz Nr. 10/2010
Rz. 5
Am 13. April 2010 erließ die Autonome Region die Legge regionale n. 10 – Misure per lo sviluppo del trasporto aereo (Regionalgesetz Nr. 10 – Maßnahmen zur Entwicklung des Luftverkehrs) (Bollettino ufficiale della Regione autonoma della Sardegna Nr. 12 vom 16. Ap...