Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Verpflichtung zur Anhebung der Mindestdeckungssummen für die Kfz-Haftpflichtversicherung. Übergangszeit. Neue Rechtsnorm, die unmittelbar auf die künftigen Wirkungen unter dem alten Recht entstandener Rechtspositionen Anwendung findet. Sachverhalt, der vor dem Inkrafttreten einer materiell-rechtlichen Unionsvorschrift abgeschlossen ist. Nationale Regelung, mit der vor dem 11. Dezember 2009 abgeschlossene Versicherungsverträge von der Verpflichtung zur Anhebung der Mindestdeckungssummen für die Kfz-Haftpflichtversicherung ausgenommen werden
Normenkette
Zweite Richtlinie 84/5/EWG Art. 1 Abs. 2; Richtlinie 2009/103/EG Art. 9 Abs. 1; Richtlinie 2005/14/EG
Beteiligte
Tenor
Art. 1 Abs. 2 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in der durch die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 geänderten Fassung und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht sind dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten, die von der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, eine Übergangszeit festzulegen, verpflichtet waren, zu verlangen, dass die Mindestdeckungssummen von Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsverträgen, die vor dem 11. Dezember 2009 abgeschlossen wurden, aber an diesem Tag noch in Kraft waren, ab diesem Tag mit der Regel in Unterabs. 4 der genannten Bestimmungen vereinbar sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Apelacyjny w Warszawie (Berufungsgericht Warschau, Polen) mit Entscheidung vom 28. August 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 11. September 2020, in dem Verfahren
A.K.
gegen
Skarb Panstwa
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer A. Arabadjiev (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterin I. Ziemele sowie der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb und A. Kumin,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von A.K., vertreten durch I. Kwiecien, Adwokat,
- des Skarb Panstwa, vertreten durch J. Zasada und L. Jurek,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann und E. Lankenau als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe, B. Sasinowska und S. L. Kaleda als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (ABl. 1984, L 8, S. 17) in der durch die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 (ABl. 2005, L 149, S. 14) geänderten Fassung (im Folgenden: Zweite Richtlinie 84/5).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen A.K. und dem Skarb Panstwa (Fiskus, Polen) wegen Ersatz des Schadens, der durch die nicht ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie 2005/14 in polnisches Recht entstanden sein soll.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Zweite Richtlinie 84/5
Rz. 3
Art. 1 Abs. 1 und 2 der Zweiten Richtlinie 84/5 bestimmte:
„(1) Die in Artikel 3 Absatz 1 der [Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 1972, L 103, S. 1)] bezeichnete Versicherung hat sowohl Sachschäden als auch Personenschäden zu umfassen.
(2) Unbeschadet höherer Deckungssummen, die von den Mitgliedstaaten gegebenenfalls vorgeschrieben sind, fordert jeder Mitgliedstaat für die Pflichtversicherung folgende Mindestbeträge:
- für Personenschäden einen Mindestdeckungsbetrag von 1 000 000 EUR je Unfallopfer oder von 5 000 000 EUR je Schadensfall, ungeachtet der Anzahl der Geschädigten;
- für Sachschäden ungeachtet der Anzahl der Geschädigten 1 000 000 EUR je Schadensfall.
Falls erforderlich, können die Mitgliedstaaten eine Übergangszeit von bis zu fünf Jahren nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie [2005/14] festlegen, um ihre Mindestdeckungssummen an das in diesem Absatz geforderte Niveau anzupassen.
Die Mitgliedstaaten, die eine solche Überg...