Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Von der Republik Österreich durchgeführte Maßnahmen für den Flughafen Klagenfurt, Ryanair und andere Fluggesellschaften, die den Flughafen nutzen. Beschluss, mit dem festgestellt wird, dass die Beihilfemaßnahmen teilweise mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind. Nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens vorgelegte Beweise. Zulässigkeit. Befugnisse der Europäischen Kommission zur Rückforderung von Beihilfen. Verjährungsfrist. Grad der Bestimmtheit der die Verjährungsfrist unterbrechenden Maßnahmen. Begründungspflicht. Verfälschung von Beweisen. Für die Bestimmung des zurückzufordernden Beihilfebetrags maßgebliche Daten
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichts Art. 85 Abs. 3; Verordnung (EU) 2015/1589 Art. 17 Abs. 1-2
Beteiligte
Ryanair und Airport Marketing Services |
Tenor
1.Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2.Die Ryanair DAC und die Airport Marketing Services Ltd tragen die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache C-758/21 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 9. Dezember 2021,
Ryanair DACmit Sitz in Swords (Irland),
Airport Marketing Services Ltdmit Sitz in Dublin (Irland),
vertreten durch B. Byrne, Solicitor, S. Rating, Abogado, und E. Vahida, Avocat,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission,zunächst vertreten durch K. Blanck, A. Bouchagiar und J. Ringborg, dann durch A. Bouchagiar und J. Ringborg als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters M. Ilešič in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter I. Jarukaitis (Berichterstatter) und D. Gratsias,
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: A. Lamote, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2023,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 30. März 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel begehren die Ryanair DAC und die Airport Marketing Services Ltd (im Folgenden: AMS) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 29. September 2021, Ryanair u. a./Kommission (T-448/18, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2021:626), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung der Art. 5 und 6 und, soweit sie sie betreffen, der Art. 9 bis 11 des Beschlusses (EU) 2018/628 der Europäischen Kommission vom 11. November 2016 über die von Österreich durchgeführte staatliche Beihilfe SA.24221 (2011/C) (ex 2011/NN) für den Flughafen Klagenfurt, Ryanair und andere Fluggesellschaften, die den Flughafen nutzen (ABl. 2018, L 107, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss), zurückgewiesen wurde.
Unionsrecht
Verordnung (EU) 2015/1589
Rz. 2
Im 26. Erwägungsgrund der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9) heißt es:
„Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte in Bezug auf rechtswidrige Beihilfen eine Frist von zehn Jahren vorgesehen werden, nach deren Ablauf keine Rückforderung mehr angeordnet werden kann.“
Rz. 3
Art. 2 („Anmeldung neuer Beihilfen“) der Verordnung 2015/1589 bestimmt in Abs. 2:
„Der betreffende Mitgliedstaat übermittelt der [Europäischen] Kommission in seiner Anmeldung alle sachdienlichen Auskünfte, damit diese einen Beschluss … erlassen kann …“
Rz. 4
Art. 5 („Auskunftsersuchen an den anmeldenden Mitgliedstaat“) der Verordnung 2015/1589 bestimmt in den Abs. 1 und 2:
„(1) Vertritt die Kommission die Auffassung, dass die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Informationen über eine Maßnahme, die nach Artikel 2 angemeldet wurde, unvollständig sind, so fordert sie alle sachdienlichen ergänzenden Auskünfte an. …
(2) Wird eine von dem betreffenden Mitgliedstaat verlangte Auskunft innerhalb der von der Kommission festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so übermittelt die Kommission ein Erinnerungsschreiben, in dem sie eine zusätzliche Frist für die Auskunftserteilung festsetzt.“
Rz. 5
In Kapitel III („Verfahren bei rechtswidrigen Beihilfen“) der Verordnung 2015/1589 bestimmt Art. 12 („Prüfung, Auskunftsersuchen und Anordnung zur Auskunftserteilung“):
„(1) … die Kommission [kann] von Amts wegen Auskünfte über mutmaßliche rechtswidrige Beihilfen prüfen, ungeachtet der Herkunft dieser Auskünfte.
…
(2) Falls erforderlich, verlangt die Kommission von dem betreffenden Mitgliedstaat Auskünfte. In diesem Fall gelten Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 5 Absätze 1 und 2 entsprechend.
…
(3) Werden von dem betreffenden Mitgliedstaat trotz eines Erinnerungsschreibens nach Artikel 5 Absatz 2 die verlangten Auskünfte innerhalb der von der Kommission festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so fordert die Kommission die Auskünfte durch Beschluss an … Der Beschluss bezeichnet die angeforderten Auskünfte und legt eine angemessene Frist zur Erteilung dieser Auskünfte fes...