Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Ausgleich für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen. Umfang. Befreiung von der Ausgleichspflicht. Begriff ‚außergewöhnliche Umstände’. Vorhandensein von Treibstoff auf einer Flughafenrollbahn
Normenkette
EGV Nr. 261/2004 Art. 5 Abs. 3
Beteiligte
Tenor
1. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist im Licht ihrer Erwägungsgründe 14 und 15 dahin auszulegen, dass das Vorhandensein von Treibstoff auf einer Flughafenrollbahn, das zu deren Schließung und folglich zur erheblichen Abflug- oder Ankunftsverspätung auf diesem Flughafen geführt hatte, unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände” im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn der fragliche Treibstoff nicht von einem Flugzeug des Luftfahrtunternehmens stammt, das diesen Flug durchgeführt hat.
2. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ist im Licht ihrer Erwägungsgründe 14 und 15 dahin auszulegen, dass das Vorhandensein von Treibstoff auf einer Flughafenrollbahn, das zu deren Schließung geführt hatte und das unstreitig ein „außergewöhnlicher Umstand” ist, als ein Umstand anzusehen ist, der sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen im Sinne dieser Bestimmung ergriffen worden wären.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juge de paix du troisième canton de Charleroi (Friedensgericht des dritten Kantons von Charleroi, Belgien) mit Entscheidung vom 31. Januar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Februar 2018, in dem Verfahren
André Moens
gegen
Ryanair Ltd
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter), S. Rodin und N. Piçarra,
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Moens, vertreten durch N. Leys, advocaat,
- der Ryanair Ltd, vertreten durch C. Price, avocat,
- der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze, M. Hellmann und A. Berg, dann durch M. Hellmann und A. Berg als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Hottiaux und N. Yerrell als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Dezember 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn André Moens und dem Luftfahrtunternehmen Ryanair Ltd über dessen Weigerung, diesem von einer großen Flugverspätung betroffenen Fluggast einen Ausgleich zu leisten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 14 und 15 der Verordnung Nr. 261/2004 heißt es:
„(14) Wie nach dem Übereinkommen [zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Übereinkommen von Montreal) (ABl. 2001, L 194, S. 39)] sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.
(15) Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.”
Rz. 4
Art. 5 „Annullierung”) dieser Verordnung bestimmt:
„(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
…
c) vom ausführenden Luftfahrt...