Für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen (auch aus Drittstaaten) gilt die Freizügigkeitsrichtlinie – Freizüg-RL,
für den Familiennachzug zu Drittstaatsangehörigen die Familienzusammenführungsrichtlinie und
für Deutschland unser neues Aufenthaltsgesetz zur Umsetzung der Richtlinien mit Änderungen auf dem Gebiet des FreizügigkeitsG/EU und des AufenthaltsG.
Vergleicht man die verschiedenen Regelungen, so fällt auf:
- die Freizüg-RL enthält für die EU-Bürger und ihre Familienangehörigen in Art. 35 lediglich einen generellen ganz allgemein gehaltenen Hinweis, dass im Falle eines Rechtsmissbrauchs Rechte verweigert, aufgehoben oder widerrufen werden können;
- die Familienzusammenführungsrichtlinie, die den Familiennachzug zu Drittstaatsangehörigen regelt, widmet der Frage des Missbrauchs in Art. 16 vier wortreiche Absätze. In Absatz 2 heißt es unter b), dass der Aufenthalt zum Zwecke der Familienzusammenführung abgelehnt werden kann, wenn feststeht, dass die Ehe nur geschlossen wurde, um der betreffenden Person die Einreise oder den Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat zu ermöglichen;
- das Aufenthaltsgesetz in der aktuellen Fassung lehnt sich an die Formulierung der Familienzusammenführungsrichtlinie an, wenn es in § 27 Abs. 1a heißt:
Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn
"feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen".
Danach gilt es also grundsätzlich zu unterscheiden zwischen EU-Staatsangehörigen und ihren ausländischen Ehepartnern, (EU-Bürgern oder Drittstaatsangehörigen) einerseits und ausländischen Staatsangehörigen und ihren drittstaatsangehörigen Ehegatten und Deutschen und ihren drittstaatsangehörigen Ehepartnern – soweit sie von ihrem Wanderungsrecht im Rahmen der EU noch keinen Gebrauch gemacht haben – andererseits:
Für erstere gilt die Freizügigkeitsrichtlinie – Freizüg-RL – und das FreizügigkeitsG/EU, für letztere die Familienzusammenführungsrichtlinie und das nationale AufenthaltsG mit in der Praxis erheblichen, höchst unterschiedlichen Konsequenzen:
1. EU-Bürger und ihre Familienangehörigen
EU-Staatsangehörige und ihre Ehegatten genießen Niederlassungsfreiheit, d.h. sie benötigen für die Einreise kein Visum, für den drittstaatsangehörigen Ehegatten, der zusammen mit dem EU-Bürger einreist, reicht – im Falle einer Kontrolle – die Vorlage der Heiratsurkunde, die Eheleute können sich einfach niederlassen, EU-Bürger benötigen keine Aufenthaltserlaubnis mehr, sondern haben Anspruch auf Ausstellung einer rein deklaratorischen Bescheinigung über ihr Aufenthaltsrecht (§ 5a FreizügigkeitsG/EU), ihre Ehegatten haben Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis/EU, können sich also ohne besondere Prüfung des Zwecks ihrer Eheschließung in Deutschland niederlassen, es reicht die Vorlage der Heiratsurkunde und die gemeinsame Anmeldung. Sie müssen in aller Regel auch noch nicht einmal eine Erklärung abgeben, dass sie in ehelicher Lebensgemeinschaft leben. Mit Blick auf die Zukunft kommt es nicht darauf an, ob und wie lange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht. Ihr Aufenthaltsstatus bleibt trotz dauerhafter Trennung erhalten. Ein ständiges Zusammenleben ist nicht verlangt. Abzustellen ist allein auf das Vorliegen der Ehegatteneigenschaft. Und es werden – bezogen auf diesen Personenkreis – i.d.R. auch keine besonderen Ermittlungen durchgeführt. Aus meiner Praxis kann ich keinen einzigen Fall nennen. Und bei Durchsicht der einschlägigen Gerichtsentscheidungen (ca. 40) bin ich auf einen einzigen Fall gestoßen, in welchem das Aufenthaltsrecht eines Drittstaatsangehörigen, der mit einem EU-Bürger verheiratet war, tatsächlich infrage gestellt worden wäre.
Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht im Fall eines assoziationsberechtigten Türken, der in London eine deutsche Staatsangehörige geheiratet und daraufhin in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hatte und jahrelang als Arbeitnehmer in Deutschland tätig gewesen war, entschieden, dass es an der erforderlichen ordnungsgemäßen Beschäftigung i.S.d. ARB 1/80 fehle, wenn der türkische Arbeitnehmer seine Aufenthaltserlaubnis durch Täuschung erwirkt habe. – Erst Jahre später hatte es sich nach den Feststellungen der Verwaltungsgerichte herausgestellt, dass es sich um eine gegen Zahlung von 5.000 DM geschlossene Scheinehe gehandelt hatte. Das BVerwG hat mit dieser Entscheidung die Rücknahme der in der Vergangenheit erteilten Aufenthaltserlaubnis bestätigt.
Auf die aufenthaltsrechtliche Situation von EU-Bürgern und ihren Familienangehörigen hat diese Entscheidung bislang kaum Einfluss gehabt, vermutlich deshalb nicht, weil Türken trotz des Assoziationsabkommens und der dar...