§ 163 Abs. 2 FGG-RG steht im Abschnitt 3 – Verfahren in Kindschaftssachen. Dieser Abschnitt beginnt mit § 151 FGG-RG, in der in acht Ziffern die dem Familiengericht zugewiesenen Verfahren in Kindschaftssachen thematisiert werden:
- Elterliche Sorge
- Umgangsrecht
- Kindesherausgabe
- Vormundschaft
- Pflegschaft
- Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Kindes oder Jugendlichen
- Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung
- Aufgaben nach dem JGG.
Aus dieser Systematik geht hervor, dass § 163 Abs. 2 FGG-RG offenbar für alle familienrechtliche Fälle gelten soll, also auch bei Kindeswohlgefährdungen nach § 1666 BGB oder Wegnahme des Kindes von der Pflegefamilie nach § 1632 Abs. 4 BGB, obwohl beispielsweise der Wortlaut des Absatzes 2 in der Reformvorschrift eher die Vermutung aufkommen lässt, dass es sich um eine Vorschrift handelt, die eher für Trennungs- und Scheidungsfälle zugeschnitten und vorgesehen ist.
Wenn also § 163 Abs. 2 FGG-RG für alle familiengerichtlichen Fallkonstellationen zutrifft, müssen Klärungen und präzise Vorgaben in Bezug auf die Art und Weise der Interventionen erfolgen, da diejenigen Interventionen, also das Hinwirken auf Einvernehmen der Beteiligten, die sich auf eine Trennungs- und Scheidungsfamilie beziehen oder eine Familie, in der Kindeswohlgefährdungen sichtbar werden, nicht nur unterschiedliche Personenkreise erfasst (z.B. die Arbeit mit der Herkunftsfamilie und Pflegefamilie), sondern angesichts der spezifischen Falllagen – hier Stärkung der Elternschaft und Sicherstellung des Kindeswohls, dort Abwendung einer Kindeswohlgefährdung – auch verschiedenartige Vorgehensweisen erfordern.
Dieses Problem ist offenbar bisher noch nicht erkannt bzw. behandelt worden. Auch Willutzki geht beispielsweise davon aus, dass es sich inhaltlich bei den hier gemeinten Fallkonstellationen des § 163 Abs. 2 FGG-RG letztlich um Fallkonstellationen und gerichtliche Beweisfragen geht, in denen zur Debatte steht, welcher Elternteil zur Wahrnehmung der elterlichen Sorge besser geeignet oder in welchem Umfang ein Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zu empfehlen sei.
§ 163 Abs. 2 FGG-RG gilt jedoch für alle familiengerichtlichen Fallkonstellationen, so dass auch spezielle Interventionsstrategien entwickelt und eingesetzt werden müssen, die in hinreichender Form noch längst nicht theoretisch konzeptualisiert und in der Praxis erprobt sind, auch wenn bekanntermaßen seit Jahrzehnten psychologische Beratungskonzepte vorliegen, und ebenso eine Paar-, Familientherapie oder Mediation ausformuliert und in der Praxis erprobt sind.
Nur, derartige außergerichtliche Interventionskonzepte passen nicht in ein Gerichtsverfahren, da die Begutachtung durch einen Sachverständigen die Rolle des Begutachtens beinhaltet. Der vom Gericht bestellte Sachverständige kann somit nicht vorher, gleichzeitig oder später als Mediator, psychologischer Berater, Paar- oder Familientherapeut auftreten.
Er kann aber ein für das jeweilige Familiengerichtsverfahren maßgeschneidertes Interventionskonzept entwickeln und durchführen, indem Anleihen aus den verschiedenen psychologischen Interventionsstrategien genommen werden, ohne jedoch die Rolle eines Mediators oder Psychotherapeutens einzunehmen.
Außergerichtliche Interventionskonzepte
Die Rechte des Kindes zu stärken und zu verwirklichen, ist am besten erreichbar, wenn sich die Erwachsenen einfühlsam der Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen des Kindes annehmen, dessen Willen zur Kenntnis nehmen und eine am Wohlergehen des Kindes orientierte Lösung anstreben.
Dieses grundlegende Konzept der "Intersubjektivität" entspricht heute mehr denn je einem psychologischen Grundverständnis im professionellen Umgang mit Menschen, über diese nach Möglichkeit nicht zu befinden, sondern mit ihnen Lösungen zu diskutieren und anzustreben.
Diese Überzeugung, mit den Beteiligten eine Lösung anzustreben, und nach Möglichkeit nicht über diese eine Entscheidung zu treffen, und hierbei auch ein besonderes Augenmerk auf die Belange des Kindes zu richten, ist mittlerweile im Zuge der Kindschaftsrechtsreform vom 1.7.1998 eine fachliche Evidenz und bereits heute schon im geltenden Recht, beispielsweise in dem richtungweisenden § 52 FGG wiederzufinden:
Dort ist in § 52 Abs. 1 S. 1 FGG festgelegt, dass in einem die Person eines Kindes betreffenden Verfahren das Gericht so früh wie möglich und in jeder Lage des erfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken soll. Es soll die Beteiligten anhören und auf bestehende Möglichkeiten der Beratung durch Beratungsstellen und -dienste der Träger der Jugendhilfe insbesondere zur Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge und der elterlichen Verantwortung hinweisen. Nach § 52 Abs. 2 FGG kann das Familiengericht sogar das Gerichtsverfahren aussetzen, wenn dies nicht zu einer für das Kindeswohl nachteiligen Verzögerung führt und wenn die Beteiligten bereit sind, außergerichtl...