Das weitere Vorgehen der jeweiligen anwaltlichen Vertreter hängt entscheidend davon ab, ob bei dem Unterhalt begehrenden Ehegatten eine Erkrankung in Form einer Depression vorliegt oder nicht. Dazu muss zunächst auf einige medizinische Grundlagen und Begriffe eingegangen werden.
1. Grundsätze
Bei einer Depression handelt es sich um eine psychische Störung bzw. Erkrankung. Typische Symptome sind gedrückte Stimmung, häufiges Grübeln, das Gefühl von Hoffnungslosigkeit und ein verminderter Antrieb. Verloren gehen häufig Freude und Lustempfinden, Selbstwertgefühl, Leistungsfähigkeit, Einfühlungsvermögen und das Interesse am Leben; Lebensfreude und Lebensqualität sind dadurch oft beeinträchtigt.
Die genannten Beschwerden treten auch bei gesunden Menschen im Rahmen der Trauer nach einer Verlusterfahrung auf, sie müssen sich im Erscheinungsbild nicht von einer Depression unterscheiden; in der Regel gehen die Beschwerden von allein wieder vorbei. Dagegen liegt eine Krankheit vor, wenn die Symptomatik unverhältnismäßig lange anhält bzw. in Schwere und Dauer in keinem angemessenen Verhältnis zu den symptomauslösenden Faktoren steht.
Wer sich in einer niedergeschlagen Stimmungslage ohne Krankheitswert befindet, wird als deprimiert bezeichnet. Eine Depression im medizinischen Sinne liegt dagegen vor im Falle einer ernsten, behandlungsbedürftigen und oft folgenreichen Erkrankung, die sich der Beeinflussung durch Willenskraft oder Selbstdisziplin des Betroffenen entzieht. Sie stellt eine wesentliche Ursache für Arbeitsunfähigkeit oder Frühverrentung dar und ist Auslöser für rund die Hälfte der jährlichen Selbsttötungen in der Bundesrepublik.
2. Symptome
Von verschiedenen Fachgesellschaften wurde im Jahr 2011 eine VersorgungsLeitlinie zum Thema Depression erarbeitet.
Sie empfiehlt, zur Diagnose nach ICD-10 zwischen drei Haupt- und sieben Zusatzsymptomen zu unterscheiden.
Die Hauptsymptome sind folgende:
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gedrückte, depressive Stimmung: Die Depression ist charakterisiert durch Stimmungseinengung oder bei einer schweren Depression das "Gefühl der Gefühllosigkeit" bzw. das Gefühl anhaltender innerer Leere, |
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Interessensverlust und Freudlosigkeit: Verlust der Fähigkeit zu Freude oder Trauer; Verlust der affektiven Resonanz, d.h. die Stellung des Patienten ist durch Zuspruch nicht aufzuhellen, |
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Antriebsmangel und erhöhte Ermüdbarkeit: bei einer schweren depressiven Episode können Betroffene in ihrem Antrieb so stark gehemmt sein, dass sie auch einfachste Tätigkeiten wie Körperpflege, Einkaufen oder Abwaschen nicht mehr verrichten können. |
Die Zusatzsymptome sind folgende:
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verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, |
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vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen (Insuffizienzgefühl), |
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Schuldgefühle und Gefühle von Minderwertigkeit, Schamgefühl, |
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negative und pessimistische Zukunftsperspektiven (hoffnungslos): Übertriebene Sorge um die Zukunft, übertriebene Beunruhigung durch Bagatellstörungen im Bereich des eigenen Körpers (Hypochondrie), Gefühl von Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit oder auch tatsächliche Hilflosigkeit, |
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Suizidgedanken oder -handlungen: Gefühl der völligen Sinnlosigkeit des Lebens, |
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Schlafstörungen, |
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verminderter Appetit. |
Nach ICD-10 wird der Schweregrad einer Depression nach der Anzahl der Symptome eingeteilt:
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leichte Depression: zwei Haupt- und zwei Zusatzsymptome, |
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mittelschwere Depression: zwei Hauptsymptome und drei bis vier Zusatzsymptome, |
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schwere Depression: drei Hauptsymptome und fünf oder mehr Zusatzsymptome. |
3. Formen
a) Hauptformen
Historisch (in der heutigen Praxis dagegen weniger) werden folgende Formen einer Depression unterschieden:
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Die reaktive Depression wird als Reaktion auf ein aktuell belastendes Ereignis verstanden und heute als mögliches Symptom einer Anpassungsstörung (ICD-10: F 43.2) diagnostiziert; letztere wird allerdings regelmäßig auf einen Zeitraum von etwa sechs Monaten begrenzt. |
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Der Begriff der endogenen Depression umfasst ein depressives Syndrom ohne erkennbare äußere Ursache, Auslöser sind meist veränderte Stoffwechselvorgänge im Gehirn und genetische Veranlagungen. Im klinischen Alltag wird sie als eine Form der affektiven Psychose bezeichnet. |
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Die neurotische Depression oder Erschöpfungsdepression soll durch länger andauernde belastende Erfahrungen in der Lebensgeschichte verursacht sein. |
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Die somatisierte Depression (auch maskierte bzw. larvierte Depression genannt) ist eine Depression, bei der körperlichen Beschwerden das Krankheitsbild prägt. |
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Unter agitierter Depression wird eine innere Unruhe verstanden. Der Patient wird von einem rastlosen Bewegungsdrang, der ins Leere läuft, getrieben, zielgerichtete Tätigkeiten sind ni... |