I. Einführung
1. Frühere Rechtslage
In Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem FGG wurde von der Rechtsprechung – auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung – die Zulässigkeit einer einstweiligen Anordnung bejaht, sofern ein sofortiges Eingreifen ohne abschließende Klärung erforderlich und aufgrund von (glaubhaft zu machenden) Tatsachen wahrscheinlich war, dass die abschließende Entscheidung ähnlich ausfallen würde. Notwendig war ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten, welches ein Abwarten bis zur Beendigung der notwendigen Ermittlungen nicht gestattete und deshalb eine sofortige Maßnahme erforderte.
In Familiensachen wurde das Verfahren von zwei Verfahrensordnungen beherrscht, zum einen der ZPO (Parteiprozess), zum anderen dem FGG (Amtsermittlungsgrundsatz). Die Geltung der einen oder anderen Verfahrensordnung richtete sich danach, welchen Verfahrensnormen der jeweilige Anspruch oder das zu regelnde Rechtsverhältnis unterlag. Beim Unterhalt konnte außerhalb eines Eheverfahrens eine einstweilige Anordnung nach § 644 ZPO a.F. erlassen werden; bei laufendem Scheidungsverfahren bestand die Möglichkeit zur Beantragung einer einstweiligen Anordnung ab Anhängigkeit der Ehesache (§ 620a Abs. 2 S. 1 ZPO a.F.). In allen Fällen war das Anordnungsverfahren Teil des Hauptverfahrens, welches Voraussetzung für die Zulässigkeit war; es bestimmte inhaltlich die Grenzen des Verfahrensgegenstandes und zeitlich die Wirksamkeit.
Ganz überwiegend wurden die nur unzureichende Regelung des einstweiligen Rechtsschutzes und die Unübersichtlichkeit der verschiedenen Bestimmungen als nachteilig angesehen.
2. Neuregelung nach dem FamFG
a) Hauptsacheunabhängigkeit
Eines der Reformziele des FamFG bestand darin, das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einfacher, übersichtlicher und kostengünstiger zu machen. Deshalb wurden die – bis dahin in ZPO und FGG verteilten – unübersichtlichen und lückenhaften Regelungen zum Erlass der einstweiligen Anordnung nunmehr in den §§ 49 – 57 FamFG reformiert und zusammengefasst. Die Reform besteht u.a. darin, dass die einstweilige Anordnung teilweise an Arrest und einstweilige Verfügung insbesondere dadurch angepasst wird, dass die Akzessorietät entfallen ist mit der Folge, dass es keiner Anhängigkeit einer gleichartigen Hauptsache oder eines Scheidungsverfahrens (bzw. eines Eingangs eines entsprechenden VKH-Gesuchs) mehr bedarf. Nunmehr sind einstweilige Anordnung und Hauptsache zwei voneinander getrennte unabhängige Verfahren (§ 51 Abs. 3 FamFG).
b) Hauptsacheentbehrlichkeit
aa) Grundsätze
Das Recht der einstweiligen Anordnung wurde im FamFG grundlegend neu gestaltet, und zwar im Allgemeinen in den § 49 ff. FamFG, im Besonderen für Unterhaltssachen in den §§ 246 – 248 FamFG (s. dazu unter V.). Die Regelungen in den §§ 246 – 248 FamFG sind vorrangig vor den allgemeinen Regelungen in § 49 ff. FamFG, soweit sie besondere Regelungen enthalten; im Übrigen werden sie durch diese ergänzt.
Der Gesetzgeber hatte mit der Neuregelung auch Kostenvorteile im Auge mit der Überlegung, das (vereinfachte und beschleunigte) Anordnungsverfahren sei in vielen Fällen schon für sich allein geeignet, Rechtsfrieden zwischen den Parteien herzustellen.
bb) Kritik
Wenn das Hauptsacheverfahren nach der Intention des Gesetzgebers in vielen Fällen entbehrlich werden soll, wodurch das Anordnungsverfahren im Ergebnis zum "kleinen Unterhaltsprozess" würde, fragt man sich spontan, warum dann gemäß § 114 Abs. 4 Nr. 1 FamFG kein Anwaltszwang vorgesehen ist. Denn wenn schon nach altem Recht – trotz der dortigen inhaltlichen Beschränkungen – die anwaltliche Vertretung geboten war, dann ist erst recht nicht einzusehen, warum sie jetzt angesichts der deutlich erweiterten Möglichkeiten der einstweiligen Anordnung (s. dazu unter Ziff. I. 2a); Ziff. III. 3 a)) nicht erforderlich sein soll. Die Bedenken verstärken sich noch aufgrund des Umstandes, dass im Anordnungsverfahren – als einem summarischen Verfahren mit eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten (s. unter Ziff. II. 5) – auch schwierige Rechtsfragen geprüft werden sollen.
Zum erhöhten Stellenwert des Anordnungsverfahrens passt auch nicht, dass nach h.M. regelmäßig nur der halbe Wert der Hauptsache angesetzt wird.
§ 246 FamFG schließt § 49 FamFG aus (s. unter Ziff. III.). Regelmäßig wird keine vorläufige Regelung beantragt, sondern der Hauptanspruch geltend gemacht, da weder nach Zeit noch Höhe Einschränkungen bestehen (s. unter Ziff. III. 3a)). Daher liegt kein Fall des § 41 S. 2 FamFG vor, so dass eine Anhebung bis zum vollen Wert der Hauptsache vorgenommen werden kann.