BGB § 1626a § 1666 § 1680; GG Art. 6; FGG § 20
Wird der allein sorgeberechtigten Mutter eines nichtehelichen Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen, so kann der Vater des Kindes insoweit die Übertragung des Sorgerechts auf sich beantragen und ist gegen eine ablehnende Entscheidung des Familiengerichts auch beschwerdeberechtigt.
BGH, Beschl. v. 16.6.2010 – XII ZB 35/10 (OLG Köln, AG Köln)
Gründe:
I. [1] Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die nicht verheirateten Eltern des am 13.4.2006 geborenen Kindes. Sie hatten nur eine kurzzeitige Beziehung. Die Mutter, die drei weitere Kinder hat, verheimlichte ihre Schwangerschaft. Nach der Geburt setzte sie das Kind aus, indem sie in einen anderen Stadtteil fuhr und das Kind dort vor die Tür eines Wohnhauses legte. Nachdem das Kind aufgefunden wurde, wurde es vom Jugendamt in Obhut genommen und in eine Pflegefamilie gegeben. Mutter und Vater des Kindes wurden erst später ermittelt. Die Mutter wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
[2] Der Mutter, die das Kind zunächst zur Adoption freigegeben hatte, ist als alleiniger Inhaberin des Sorgerechts das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und dem Jugendamt als Pfleger übertragen worden. Zwischen Vater und Kind finden in wechselndem Umfang begleitete Umgangskontakte statt.
[3] Der Vater beantragt, ihm das Sorgerecht zu übertragen. Das AG – Familiengericht – hat den Antrag zurückgewiesen. Das OLG hat die Beschwerde des Vaters als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die vom Vater eingelegte Rechtsbeschwerde.
II. [4] 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts fehlt dem Vater die Beschwerdeberechtigung. Es hat sich auf die Rspr. des Senats berufen, dass dem von vornherein nicht sorgeberechtigten Vater kein Beschwerderecht gegen den Maßnahmen nach § 1666 BGB ablehnenden Beschluss des Familiengerichts zustehe. Erforderlich sei ein Eingriff in ein zum Zeitpunkt der Entscheidung bestehendes subjektives Recht. Dass er ein berechtigtes Interesse an der Änderung oder Beseitigung der Entscheidung haben möge, genüge nicht, ebenfalls nicht sein Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG. Auf die Entscheidung des BVerfG vom 20.10.2008 (FamRZ 2008, 2185) könne sich der Vater nicht mit Erfolg berufen, weil diese Entscheidung den nicht vergleichbaren Fall betreffe, dass der Vater die elterliche Sorge über einen längeren Zeitraum zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich wahrgenommen habe.
[5] 2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[6] a) Für das Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht anwendbar, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurt. v. 25.11.2009 – XII ZR 8/08, FamRZ 2010, 192).
[7] b) Das OLG ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 8 FGG nicht für Endentscheidungen in Sorgerechtsverfahren gilt (§§ 64 Abs. 3 Satz 3, 57 Abs. 2 FGG; vgl. Keidel/Engelhardt, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 57 Rn 31) und die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG gem. § 64 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 57 Abs. 2 FGG für Familiensachen ausdrücklich ausgeschlossen ist (Senatsbeschl. v. 26.11.2008 – XII ZB 103/08, FamRZ 2009, 220 Tz 12 und v. 13.4.2005 – XII ZB 54/03, FamRZ 2005, 975, 976 m.w.N.). Auch entspricht es der Rspr. des Senats, dass nach der allgemeinen Regelung in § 20 FGG dem von vornherein nicht sorgeberechtigten Vater kein Beschwerderecht gegen einen Beschluss zusteht, durch den Maßnahmen nach § 1666 BGB abgelehnt worden sind, weil ein berechtigtes Interesse nicht ausreicht und auch das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG für sich genommen keine Beschwerdeberechtigung begründet (Senatsbeschl. v. 26.11.2008 – XII ZB 103/08, FamRZ 2009, 220 Tz 13).
[8] aa) Ob an dieser Rspr. nach dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des EGMR vom 3.12.2009 (FamRZ 2010, 103) festzuhalten ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die elterliche Sorge der Mutter nur noch eingeschränkt zusteht, weil ihr mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht ein wesentlicher Teil der Personensorge entzogen worden ist. Der Senat hat bereits auf den Unterschied zwischen einer Entscheidung, die Maßnahmen nach § 1666 BGB ablehnt, zu den Fällen hingewiesen, in denen der Mutter das Sorgerecht vom Familiengericht nach § 1666 BGB entzogen wurde (Senatsbeschl. v. 26.11.2008 – XII ZB 103/08, FamRZ 2009, 220 Tz 15).
[9] Im Fall des Sorgerechtsentzugs hat das Familiengericht nach § 1680 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 BGB die elterliche Sorge dem Vater zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes dient. Diese Regelung begründet ein subjektives Recht des Vaters, aus dem sich auch dessen Beschwerdeberechtigung gem. § 20 FGG ergibt (vgl. auch Senatsbeschl. v. 26.9.2007 – XII ZB 229/06, FamRZ 2007, 1969).
[10] Ein solcher Fall liegt hier vor. Durch den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist die Mutter insoweit nicht mehr Inhaberin der Personensorge. Es steht demnach zwar keine vollständige S...