Wesentliche Gründe für eine Ressourcen-Ungleichheit zuungunsten von Frauen sind:
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geringere Einkommenschancen in den typischen Frauenberufen |
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geringere Aufstiegschancen sowohl in den Frauenberufen wie in den "gemischten" Berufen |
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Diskontinuität der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Kindern |
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niedrigere Wochenarbeitszeit von Frauen mit Kindern – als geringfügige Beschäftigung, als Teilzeitarbeit oder auch als Verzicht auf Überstunden. |
Die genannten Merkmale gelten – cum grano salis – auch für die Frauenerwerbsarbeit in den neuen Bundesländern, denn obwohl sich die Familien- und Erwerbsstrukturen der DDR von denen der alten Bundesrepublik unterschieden, war auch dort das Fraueneinkommen durchschnittlich niedriger – trotz kontinuierlicher Erwerbsbiographie. Und es gab auch in der DDR eine relevante Zahl in Teilzeit beschäftigter Frauen (etwa ein Viertel), sodass die Frage der ehebedingten Nachteile auch für diese Frauen relevant ist.
Mit dem Hinweis auf die typischerweise diskontinuierliche Erwerbsbeteiligung verheirateter Frauen ist eine Längsschnitt-Sicht auf den Lebensverlauf angesprochen. Die biographische Perspektive ist eine doppelte:
1. Sie richtet sich zum einen auf überdauernde, Ungleichheit generierende soziale Strukturen sowie auf diese Ungleichheit begründende bzw. verfestigende Institutionen, die nur in der Ausprägung sich gewandelt haben:
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nach Geschlechtern differenzierendes Berufsbildungssystem |
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Arbeitsmarktspaltung zwischen Frauen- und Männerberufen |
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"weibliche" und "männliche" betriebliche Arbeitszeitmuster |
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geringere Durchschnittsverdienste von Frauen |
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institutionelle Förderung der Hausfrauenehe |
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ein Halbtags-Schulsystem, das die Präsenz einer Hausfrau und Mutter unterstellt. |
Zudem wirken im Zeitverlauf bestimmte Mechanismen des Arbeitsmarktes: Berufliche Qualifikationen veralten, und eine Erwerbsunterbrechung beschädigt die "employability", die Beschäftigungsfähigkeit überhaupt.
2. In biographischer Sicht müssen zum anderen auch persönliche Entscheidungen als Ursache von Ungleichheit einbezogen werden. Diese Entscheidungen ergeben sich sowohl aufgrund strukturell induzierter Abwägung – Wer verdient mehr? Welche Steuerklasse ist günstig? Was kostet eine Kinderbetreuung? Die Entscheidungen folgen zugleich auch kulturellen Leitbildern von Ehe, Kindeswohl und Familienleben. Diese Entscheidungsgrundlagen – die strukturell und die kulturell begründeten – sind dabei in gleicher Weise anzuerkennen.
Alle diese Faktoren kommen bei einer Scheidung zur Sprache. Was nachträglich bei der Frage des Unterhalts zu bestimmen ist, sind also nur in zweiter Linie der jeweils individuellen Lebenslage zuzurechnende – also tatsächlich individuell zu bestimmende – Nachteile. Denn ob eine vor der Familiengründung aufgenommene Berufstätigkeit tatsächlich von Dauer gewesen wäre oder etwa durch Krankheit oder Entlassung unterbrochen, ob persönliches Engagement, Weiterbildung oder Aufstieg zu einem steigenden Einkommen geführt hätten – dies alles hängt von vielen Dingen ab. Auch die Perspektive auf den Lebenslauf bietet also nur Hinweise, um typische – ehetypische – Benachteiligungen von fallspezifischen Nachteilen, also den individuell verschuldeten oder dem Zufall geschuldeten, zu unterscheiden.
In zwei methodischen Zugängen soll nun zunächst die Typik der Erwerbsverläufe von Frauen identifiziert werden: Im ersten Zugang (Teile III und IV) wird der biographische Kontext zweier Generationen dargestellt; Angehörige der älteren Generation treten möglicherweise als Beteiligte bei der Scheidung von sog. Alt-Ehen auf. Im zweiten Zugang (Teil V) geht es um die subjektive Wahrnehmung von Erwerbsarbeit und Familie bei den jüngeren Frauen.
Daran anschließend werden die alten und neuen Ungleichheitsstrukturen, die die Erwerbsbeteiligung von Frauen bestimmen, analysiert. Mit der Kategorie der "biographischen Schließung" werden dann Folgen für die Erwerbsbiographie und das Lebenseinkommen benannt.