Anmerkung zu BGH, Urteil vom 23.5.2012 – XII ZR 147/10, FF 2012, 332 (LS) = FamRZ 2012, 1284
Einführung
Erneut hat der BGH in dieser Entscheidung einen Anwaltsfehler im Zusammenhang mit der Begrenzung des nachehelichen Ehegattenunterhalts festgestellt. Der Anwalt, der dort ein früheres Unterhaltsabänderungsverfahren betrieben hatte, wird nun hoffen, dass sich der Schaden in Grenzen hält. Das kann aber nur noch geschehen, wenn das OLG, an das der BGH zurückverwiesen hat, eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft der früheren Ehefrau feststellt und deswegen ihre Unterhaltsansprüche beschränkt oder völlig versagt.
Mit seinem Urteil vom 12.4.2006 hat der BGH seine Rechtsprechung zu der Frage, ob und wie nachehelicher Ehegattenunterhalt nach dem damaligen Recht zu begrenzen sei, grundlegend geändert. Vorher hatten die früheren Eheleute einen Vergleich geschlossen und sich darin u.a. darauf verständigt, zurzeit könne der Unterhalt noch nicht befristet werden, der Ehemann sei aber mit diesem Einwand bei einer wesentlichen Änderung der Vergleichsgrundlagen nicht ausgeschlossen. Es folgte ein erstes Abänderungsverfahren, das ein Jahr nach der Änderung der BGH-Rechtsprechung endete; eine Befristung des Unterhalts wurde in diesem Verfahren nicht angesprochen. Im März 2009 machte der geschiedene Ehemann in einem zweiten Abänderungsverfahren erstmals eine Unterhaltsbefristung geltend und stützte sich dabei auf das zum Anfang 2008 in Kraft getretene Unterhaltsrechtsänderungsgesetz.
In der ersten und in der zweiten Instanz hatte er damit Erfolg. Der BGH stellt nun allerdings fest, die Abänderungsklage sei unbegründet. Der Kläger könne sich nämlich nicht – mehr – auf eine Befristung des Unterhalts berufen; dies habe er schon im ersten Abänderungsverfahren tun müssen und sei mit diesem Einwand jetzt präkludiert.
1. Warum überhaupt Präklusion?
Die gegen ein Urteil gerichtete Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO (die hier noch aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des FamFG stammte) und der heutige Abänderungsantrag gemäß § 238 FamFG haben eine identische Einschränkung, jeweils im Abs. 2, geregelt: Bei gerichtlichen Entscheidungen darf die begehrte Abänderung nur auf Umstände gestützt werden, die nach der letzten Tatsachenverhandlung des Vorverfahrens entstanden sind. Das ist eine Folge der Rechtskraft, die es bei Gerichtsentscheidungen nicht zulässt, nachträglich Umstände geltend zu machen, die schon im Ausgangsverfahren hätten geltend gemacht werden können; die Abänderung einer Gerichtsentscheidung durchbricht die Rechtskraft, so dass die Hürden hoch liegen müssen. In Rn 14 bekräftigt der BGH nunmehr, das gelte unabhängig davon, ob der Beteiligte, der jetzt eine Abänderung verlange, im vorangegangenen Verfahren auf der Aktiv- oder der Passivseite gestanden habe; jeder Beteiligte müsse unabhängig von seiner Parteirolle seinen Standpunkt umfassend vortragen.
Somit darf in einem Abänderungsverfahren auch nur geprüft werden, ob die nachhaltig geänderten Umstände auf der Basis der abzuändernden Entscheidung zu einer wesentlichen Änderung der Unterhaltsverpflichtung führen. Rechtsfehler in dem abzuändernden Titel können deshalb über einen Abänderungsantrag nicht korrigiert werden; vielmehr muss die dem abzuändernden Titel zugrunde liegende rechtliche Bewertung übernommen und es darf nur gefragt werden, ob die geänderten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse bei gleicher Rechtsanwendung zu einer Änderung des Unterhalts führen. Nur wenn sich nicht mehr feststellen lässt, welche tatsächlichen Verhältnisse und welcher Rechenweg zu dem abzuändernden Titel geführt haben, kann der Unterhalt ausnahmsweise ohne Bindung an den alten Titel neu festgesetzt werden.
Wenn allerdings die Abänderung einer in einem Vergleich oder in einer vollstreckbaren Urkunde titulierten Verpflichtung geltend gemacht wird, gilt heute § 239 FamFG, womit die materiell-rechtlichen Folgen einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB geltend gemacht werden. Insoweit kommt es also nicht darauf an, ob sich nachträglich ein Umstand wesentlich verändert hat. Der Abänderungsantrag gemäß § 239 FamFG kann sogar auf Umstände gestützt werden, die bereits vor der Entstehung des Titels lagen. Allerdings sieht es der BGH als treuwidrig an, wenn schon kurz nach dem Vergleichsabschluss eine Abänderung verlangt wird.