BGB § 1601 § 1606 Abs. 3 § 1619 Abs. 2 S. 2
Leitsatz
1. Bei einer Betreuung des gemeinsamen Kindes durch beide Elternteile im Verhältnis von 45 % zu 55 % kann von einem unterhaltsrechtlichen paritätischen Wechselmodell, bei dem beide Elternteile quotal für den Unterhaltsbedarf des Kindes einzustehen haben, noch keine Rede sein.
2. Der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Sorge- und Umgangssachen (Beschl. v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15, BGHZ 214, 31) anerkannte Grundsatz, dass ein paritätisches Wechselmodell nur angeordnet werden kann, wenn zwischen den Eltern eine tragfähige Kommunikations- und Kooperationsbasis besteht, kann vom grundsätzlichen Denkansatz her als wertendes Element herangezogen werden, um die Frage zu entscheiden, ob ein spezifisches, von den Eltern praktiziertes Betreuungsmodell bereits als echtes Wechselmodell qualifiziert werden kann. Denn ohne eine gewisse Basis bei der Kommunikation und Kooperation der Eltern ist es auch aus unterhaltsrechtlicher Sicht nicht vorstellbar, wie die Eltern in der Lage sein wollen, die mit zunehmenden Alter des Kindes immer wichtiger werdenden organisatorischen Aspekte der Kinderbetreuung im Wechselmodell wahrzunehmen.
3. Zur Frage, ob der vom pflichtigen Elternteil geschuldete Barunterhalt zu mindern ist, weil der betreffende Elternteil für das unterhaltsberechtigte Kind regelmäßig Bekleidung kauft, Reisen finanziert oder sonstige Ausgaben bestreitet.
KG, Besch. v. 15.4.2019 – 13 UF 89/16 (AG Tempelhof-Kreuzberg)
1 Gründe:
[1] I. Die Beteiligten streiten über den Kindesunterhaltsanspruch der am … 2008 geborenen Antragstellerin gegen den Antragsgegner, ihren Vater.
[2] Der Antragsgegner ist Beamter der B … und arbeitete zunächst Vollzeit im Schichtdienst. Aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Dienstherrn arbeitete er ab dem 1.4.2016 lediglich noch mit 80 % seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Er hat seit November 2012 ein Gewerbe für "Kabelverleger, Installateur, Holz- und Bautenschutz, Garten- und Baumpflegearbeiten, Hausmeisterservice, Facility Management" angemeldet. Die elterliche Sorge für die Antragstellerin steht beiden Eltern gemeinsam zu. Im März 2012 trennten sich die Eltern. Die Betreuung der Antragstellerin wurde von ihnen zunächst so gehandhabt, dass der Antragsgegner diese alle fünf Tage für vier volle Tage betreute (innerhalb eines 9-Tage-Zeitraums an vier Tagen); die Übergabe erfolgte jeweils am Abend des letzten Betreuungstages. Am 7.10.2016 einigten sich die Eltern im Verfahren Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg – 129 F 16610/15, dass der Antragsgegner die Antragstellerin innerhalb eines Blocks von insgesamt zwanzig Tagen – der Schichtdienst des Antragsgegners gestaltet sich so, dass an eine fünftägige Blockarbeitszeit sich fünf Tage anschließen, an denen er nicht arbeiten muss und sodann wieder fünf Arbeitstage – die Antragstellerin an insgesamt 9 Tagen betreut, nämlich zunächst während eines Blocks von vier Tagen, dann, nach dem nächsten "Arbeitszeitblock", an fünf weiteren Tagen. Der Wechsel findet an Schultagen jeweils nach der Schule statt; im Übrigen jeweils um 10 Uhr. Die Mutter der Antragstellerin und der Antragsgegner sind sich einig, dass die Betreuung der Antragstellerin ab Oktober 2017 zu 55 % von der Mutter und zu 45 % vom Antragsgegner wahrgenommen wird. Die Antragstellerin besucht nach der Schule den Hort; die Kosten hierfür werden allein von ihrer Mutter getragen.
[3] Die von der Mutter der Antragstellerin geforderten moderierten Gespräche mit dem Antragsgegner bei der Erziehungsberatungsstelle des Jugendamtes wurden Anfang 2016 aufgrund der völlig verhärteten Fronten abgebrochen, eine Kommunikation der Eltern über die Belange des Kindes soll praktisch nicht stattfinden.
[4] …
[5] Die Antragstellerin hat vorgetragen, sie lebe im Haushalt ihrer Mutter, die sie überwiegend betreue. Der Antragsgegner nehme ein umfangreiches Umgangsrecht wahr und betreue sie etwa ein Drittel der Gesamtzeit. Da das Einkommen des Antragsgegners – jedenfalls bis zu der Reduzierung der Arbeitszeit auf 80 % – in die 3. Gruppe der Düsseldorfer Tabelle falle, den Antragsgegner jedoch nur eine Unterhaltspflicht treffe, sei der geschuldete Unterhaltsbetrag der 4. Gruppe der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen. Sie bestreitet, dass sie von ihren Eltern im Wechselmodell betreut wird sowie weiter, dass der Antragsgegner Kosten für diverse Anschaffungen und sonstige Aufwendungen habe, die geeignet seien, ihren Barunterhaltsanspruch zu reduzieren.
[6] Der Antragsgegner hat wortreich und unter Überreichung von vielfältigen Aufstellungen und Übersichten vorgetragen, die Eltern praktizierten ein "nahezu hälftiges Wechselmodell", bei dem er die Antragstellerin zu 43 % oder zu 45 % und deren Mutter das Kind zu 50 % betreuten. Deshalb sei die Mutter der Antragstellerin daran gehindert, für die Antragstellerin den Kindesunterhalt geltend zu machen; auch bestünde eine Barunterhaltspflicht beider Elternteile. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Betreuungsumfangs und der Mehrkos...