GG Art. 3 Abs. 1 , 6 Abs. 1; BGB §§ 1573 Abs. 2 und 4, 1578 Abs. 1, 1581, 1578b, 1609 Nr. 2; EGZPO § 36 Abs. 1 und 2
Leitsatz
1. Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gem. § 1573 Abs. 2 BGB scheidet als Anschlusstatbestand für einen geltend gemachten Krankenunterhaltsanspruch nach § 1572 BGB aus, wenn und soweit die Krankheit zu einem Zeitpunkt auftritt, zu dem bereits eine nachhaltige Sicherung des Unterhalts i.S.d. § 1573 Abs. 4 BGB eingetreten ist, weil in diesem Fall die Erkrankung allein der Risikosphäre des Unterhaltsberechtigten zuzuordnen ist.
2. Die Rspr. des Bundesgerichtshofs zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen mit der Folge, dass sogar Unterhaltsansprüche des neuen Ehegatten als bedarfsprägend angesehen und die Unterhaltsansprüche des vormaligen und neuen Ehegatten im Wege der Dreiteilung berechnet werden, hebt die Unterscheidung zwischen dem Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen einerseits und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen andererseits weitgehend auf und lässt sich deshalb mit den gesetzlichen Vorgaben der §§ 1578 Abs. 1, 1581 BGB nur schwerlich in Übereinstimmung bringen; sie entfernt sich auch von dem Verständnis der Ehe als lebenslanger Gemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 BGB).
3. Die Berechnung des Unterhaltsanspruchs nach der Dreiteilungsmethode kann in Abhängigkeit von dem Einkommengefälle zwischen dem geschiedenen und dem neuen Ehegatten zu einer übermäßigen und unverhältnismäßigen Entwertung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten gem. § 1573 Abs. 2 BGB führen, während der neue Ehegatte das erhält, was ihm auch dann zustünde, wenn Unterhaltsschuldner keinen weiteren Ehegattenunterhaltsansprüchen ausgesetzt wäre. Deshalb ist es auch auf der Grundlage der Rspr. des Bundesgerichtshofs jedenfalls geboten, das durch die Einbeziehung des Unterhaltsanspruchs des neuen Ehegatten bereits auf der Bedarfsebene und die Dreiteilungsmethode gewonnene Ergebnis auf eine angemessene und ausgewogene Verteilung der Unterhaltsan-sprüche der berechtigten Ehegatten untereinander unter Berücksichtigung der mit den Unterhaltsansprüchen verbundenen Belastungen für den Unterhaltsschuldner zu überprüfen und ggf. wertend zu korrigieren.
4. Ein geeignetes Mittel zur Herbeiführung angemessener und ausgewogener Ergebnisse ist bei vergleichender Betrachtung, ob und ggf. in welcher Höhe dem neuen Ehegatten, der tatsächlich über kein Erwerbseinkommen verfügt, nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Eigenverantwortung ein Erwerbseinkommen zuzurechnen ist.
5. Haben sich die maßgeblichen tatsächlichen Grundlagen nicht verändert und stammt der Vortitel aus einer Zeit, in der die geänderte Rspr. des BGH zur zeitlichen Begrenzung und Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs gem. § 1573 BGB wirksam geworden und publiziert worden ist, beseitigt § 36 Abs. 1 Nr. 1, 2 EGZPO nicht die Bindungswirkungen des Vortitels.
(Leitsätze der Redaktion)
OLG Hamm, Urt. v. 12.3.2009 – 2 UF 179/08 (AG Marl)
Aus den Gründen
Gründe: A. Die Parteien streiten um die Abänderung der durch Urteil des AG – Familiengericht – Marl vom 21.8.2007 (20 F 167/07) titulierten Verpflichtung des Klägers, an die Beklagte einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt von 607,00 EUR zu zahlen.
Der am 15.2.1957 geborene Kläger und die am 9.11.1956 geborene Beklagte schlossen die Ehe am 26.03.1975. Die Ehe blieb kinderlos.
Die Beklagte hatte die Sonderschule mit einem entsprechenden Abschluss besucht. Sie begann anschließend eine Berufsausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Zwischen den Parteien ist streitig, ob sie die Berufsausbildung beendete. Zum Zeitpunkt der Eheschließung arbeitete die Beklagte als Hilfsarbeiterin. Sie übte eine Erwerbstätigkeit mit Unterbrechungen bis August 1978 aus. Anschließend bezog die Beklagte bis Januar 1979 Arbeitslosengeld. Danach ging sie während des ehelichen Zusammenlebens einer Erwerbstätigkeit nicht nach. Von 1995 bis 1997 pflegte die Beklagte ihren Vater, wofür sie Pflegegeld erhielt.
Der Kläger erlernte zunächst den Beruf des Vulkaniseurmeisters. Während des ehelichen Zusammenlebens bildete er sich zum Chemieingenieur fort. Er arbeitet in diesem Beruf bei der Firma E2.
Die Parteien trennten sich im Juli 2002. Der Scheidungsantrag wurde am 14.2.2003 rechtshängig. Am 21.10.2003 trat die Rechtskraft der Ehescheidung ein.
Nach der Trennung nahm die Beklagte im November 2002 eine teilschichtige Erwerbstätigkeit als Reinigungskraft bei der Firma D GmbH und Co KG auf, für die sie nach wie vor tätig ist. Sie erhält einen Stundenlohn von 8,15 EUR und hat im Jahr 2008, bis November 2008, monatsdurchschnittlich 894 EUR brutto, entsprechend 708,92 EUR netto, bezogen.
Der Kläger heiratete erneut am 8.5.2004. Seine Ehefrau, mit der der Kläger zusammenlebt, ging und geht einer Erwerbstätigkeit nicht nach. In dem ehelichen Haushalt lebt das Kind der Ehefrau L, geboren am 21.1.1997, das der Kläger im Jahr 2006 adoptierte (rechtswirksam seit dem 21.4.2006), und das gemeinsame Kind der Eheleute M, geboren am 15...