Die anwaltliche Beratung nach Erstellung eines Vereinbarungskonzeptes und vor abschließender vertraglicher Vereinbarung ist Ausdruck des Informiertheitsgebotes und dient als Vergleichsmaßstab. Inwieweit die rechtliche Problematik in der Mediation bearbeitet werden kann, ist umstritten und wird nicht einheitlich beantwortet. Die Bandbreite geht dahin, dass der Mediator sich grundsätzlich jeglicher rechtlicher Beurteilung und Bearbeitung zu enthalten hat, bis zu der Meinung, dass der juristische Mediator durchaus auch rechtlich Stellung nehmen und bewerten kann.
Die rechtliche Bearbeitung erfolgt grundsätzlich nach oder auch parallel zur Mediationsarbeit. Spätestens wenn feststeht, wie die Lösung aussehen soll, muss die rechtliche Umsetzung überprüft werden und zum anderen muss jeder Mediationsteilnehmer die mit der Lösung verbundenen Risiken kennen und sie akzeptieren können.
Nur wenn die Medianten ihre rechtliche Position und Situation korrekt einschätzen können, sind sie in der Lage, eine eigene Entscheidung zu treffen. Erst dann können sie gut einen Vertrag abschließen, den sie in allen Punkten bejahen. Deswegen ist spätestens vor Abschluss einer Trennungs- bzw. Scheidungsvereinbarung m.E. eine anwaltlich parteiliche Beratung erforderlich.
Das ist nicht damit gleichzusetzen, dass nur die juristische Lösung eine gute und gerechte Lösung ist, vielmehr ist dies nur die Lösung, die momentan von der Jurisprudenz als gerecht angesehen wird. Die Parteien können hierzu ganz andere Gerechtigkeits- und Fairnessvorstellungen haben, die in ihrer konkreten Partnerschafts- und Lebenssituation begründet sind. Dies sollte der anwaltliche Berater immer vor Augen haben, um auch andere Lösungen der Parteien zu akzeptieren.
Auf dieser Basis soll der Einsatz des anwaltlichen Beraters untersucht werden.
1. Anwaltliche Beratung als notwendiger Bestandteil eines Mediationsverfahrens
a) Ausgangssituation
Ehefrau 42 Jahre, Betriebswirtin, teilweise im Betrieb beschäftigt
Ehemann 52 Jahre, Ingenieur mit eigenem Betrieb
Kinder: 10 Jahre männlich, 6 Jahre männlich, 5 Jahre männlich
Die Eheleute lebten im gemeinsamen Hausanwesen, die Ehefrau möchte sich trennen und mit den drei Kindern ausziehen. Die Parteien leben in weit überdurchschnittlich guten wirtschaftlichen Verhältnissen. Es gibt wechselweise unterschiedliche Beteiligungen an den diversen Firmen der Parteien.
b) Mediation
In der ersten Sitzung wurden mit den Parteien das Konzept des Mediationsverfahrens und die erforderliche anwaltliche Beratung am Ende des Verfahrens besprochen. Der Ehemann lehnte in diesem Erstgespräch eine anwaltliche Beratung zum Ende der Mediation vor Abschluss der Vereinbarung ab, da er ein eskalierendes Szenario befürchtete. Die Ehefrau vertrat zunächst auch die Auffassung des Ehemannes und wollte ihrerseits auf eine anwaltliche Beratung nach Erarbeiten des Vereinbarungskonzeptes verzichten.
In einem solchen Fall ist dringend erforderlich, intensiv die Notwendigkeit der anwaltlichen Beratung zu besprechen. Nachdem detailliert vom Mediator erläutert worden war, warum eine anwaltliche Beratung erforderlich ist, setzte eine wesentliche Veränderung bei der Ehefrau ein. Sie konnte ihr Emanzipationsbedürfnis mobilisieren und erkannte, dass die juristische Beratung ein Teil ihrer Selbstbehauptung ist. Es wurde ihr nicht nur die Wichtigkeit einer anwaltlichen Beratung bewusst, sondern auch, dass die anwaltliche Beratung zur Herstellung des Machtgleichgewichts zwischen den Parteien notwendig ist.
c) Anwaltliche Beratung
Die Ehefrau hat sich nach der nicht fortgeführten Mediation anwaltlich beraten lassen.
d) Einschätzung
Wenn die Medianten eine anwaltliche Beratung ablehnen, kann dies verschiedene Ursachen haben. Einmal kann dies mit einer Negativvorstellung über die Anwaltschaft zusammenhängen, weil die Medianten die Kosten eines Anwalts scheuen oder weil sie eine Eskalation (Streit schüren durch den Anwalt) befürchten oder weil sie andere negative Erfahrungen mit dem Berufsstand gemacht haben. Hier ist es Aufgabe des Mediators, auf die Befürchtungen einzugehen. Denkbar ist z.B., dass der Mediator eine Liste mit Anwälten bereit hält, die "keinen Streit schüren" oder Anwälte benennt, die sich mit Mediationsverfahren auskennen und mit klaren Gebührensätzen, z.B. Stundenlohn, arbeiten etc.
Andererseits können aber Gründe in den Parteien selber liegen. So kann es sein, dass eine Partei keine vollständige Klarheit über die rechtliche Situation herstellen...