Einführung
Die Unterhaltsrechtsreform gilt für alle ab 1.1.2008 fällig gewordenen Unterhaltsansprüche. Für vor deren Inkrafttreten rechtskräftig gewordene Urteile stellt sich – ebenso wie für zuvor errichtete Vergleiche und einseitige Urkunden – die Frage nach deren Anpassung an die neue Rechtslage bzw. den Erfolgsaussichten einer Abänderungsklage. Reicht die Änderung der Rechtslage als solche? Oder steht einer Abänderung – wenn der dem Unt.-Titel zugrunde liegende Sachverhalt derselbe geblieben ist – die Präklusion nach § 323 Abs. 2 ZPO (Verspätung) entgegen? Dies gehört zu den vielen streitigen Auslegungsfragen, die die Reform mit sich brachte. Seit Erscheinen o.g. Beitrags des Verf. sind hierzu zwei neue Entscheidungen des BGH ergangen; die Entscheidung vom 30.7.2008 hat nach Auffassung d. Verf. insoweit endlich Klarheit erbracht.
1 I.
Rückblick: Schon bei vor Einführung der BGH-Surrogatsrechtsprechung entstandenen Unterhaltstiteln, bei denen die zukünftige Rechts-Entwicklung nicht vorausgesehen und daher Beschränkung des Geschiedenenunterhalts nicht geltend gemacht oder diese rechtskräftig abgelehnt worden war, stellte sich im Rahmen von Abänderung /Anpassung an die neue Rechtslage die Frage nach der Präklusion:
1. In seiner Entscheidung vom 9.6.2004 hatte der BGH noch die Auffassung vertreten, dass die von ihm im Juni 2001 neu eingeführte Surrogatsrechtsprechung den Unterhaltsverpflichteten nicht zur Abänderung von Unterhaltsvergleichen berechtige.
2. In seiner Entscheidung vom 28.2.2007 hielt er hieran nicht länger fest. Soweit der abzuändernde Titel aus der Zeit vor der Einführung der Surrogatsrechtsprechung stamme (Stichtag also: 13.6.2001), berechtige dies zur Abänderung und Anpassung an seine neue Surrogatsrechtsprechung.
2 II.
Dabei war der nächste Umschwung nach Einführung der Surrogatsrechtsprechung bereits zwischenzeitlich mit der BGH-Entscheidung vom 12.4.2006 erfolgt. Hier wurde schon der erst 2008 mit der Unterhaltsrechtsreform in Kraft getretene § 1578b sinngemäß vorweggenommen: Erstmals wurden nun dezidiert die "ehebedingten Nachteile" Dreh- und Angelpunkt für die Beschränkung des Geschiedenenunterhalts und das bis dahin in praxi primär maßgebliche Kriterium der "Ehedauer" wurde in seiner Bedeutung endgültig relativiert.
Inwieweit diese Entscheidung – oder das spätere Inkrafttreten der Unterhaltsreform am 1.1.2008 – zur Abänderung von Alttiteln berechtigte, war unklar. Hierzu hatte der Bundesgerichtshof weder in der Entscheidung vom 12.4.2006 selbst, noch in der Entscheidung vom 28.2.2007 etwas verlautbaren lassen. Für nach dem Stichtag 13.6.2001 entstandene Unterhaltstitel, die ohne Befristung oder Beschränkung errichtet worden waren, blieb demnach die Gefahr der Präklusion (und anwaltlicher Haftung) bestehen.
Beispiel: Die geschiedene Ehefrau hat trotz langer Ehe und vormaliger überwiegender Kinderbetreuung keine fortwährenden ehebedingten Nachteile erlitten, weil sie jetzt, wo die Kinder "aus dem Gröbsten heraus sind", längst wieder vollschichtig in ihrem erlernten Beruf arbeitet (und auch in etwa das Einkommen erzielt, das sie auch ohne "Kinderpause" jetzt erzielen würde).
Bei solchen Fallkonstellationen wurde auch in der Zeit nach Juni 2001 Beschränkung /Befristung des Geschiedenenunterhalts häufig abgelehnt oder – insbesondere, wenn mehrere Kinder zu betreuen waren – gar nicht erst geltend gemacht. Die Frage nach den "ehebedingten Nachteilen" wurde gar nicht thematisiert, weil man die BGH-Entscheidung vom 12.4.2006 nicht vorausgesehen hat. Überdies sahen die §§ 1573 Abs. 1 Satz 1 2. Hs., 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. bis Ende 2007 noch vor, dass schon bei vormaliger Betreuung nur eines einzigen Kindes "in der Regel" sowohl Befristung, als auch Beschränkung des Unterhaltsanspruchs ausscheidet (diese "Regel" wurde erst mit der Unterhaltsrechtsreform – ersatzlos – gestrichen). Derartige Fälle sind auch in der Zeit nach dem 13.6.2001 noch zahlreich (z.B. BGH FamRZ 2004, 1357).