VersAusglG § 5 Abs. 2 S. 2 § 51 Abs. 1 § 31 Abs. 1; FamFG § 225; SGBVI § 56 § 249 § 307d Abs. 1
Leitsatz
Zur Behandlung der rentenrechtlichen Besserbewertung von Kindererziehungszeiten durch die sogenannte Mütterrente bei der Ermittlung von Ehezeitanteil und Ausgleichswert im Abänderungsverfahren.
BGH, Beschl. v. 23.8.2023 – XII ZB 202/22 (OLG Frankfurt, AG Kirchhain]
1 Gründe:
A. [1] Der Antragsteller begehrt die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer Totalrevision nach § 51 Abs. 1 VersAusglG.
[2] Die am 25.9.1978 geschlossene Ehe des 1954 geborenen Antragstellers mit der 1953 geborenen früheren Ehefrau wurde auf den am 1.10.1997 zugestellten Scheidungsantrag mit Urteil des Familiengerichts vom 1.4.1998 rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt.
[3] Während der Ehezeit (1.9.1978 bis 30.9.1997) hatten der Antragsteller ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 903,71 DM und die frühere Ehefrau ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 281,78 DM erworben. Das Familiengericht führte den Versorgungsausgleich im Wege des Rentensplittings durch, indem es zulasten des Anrechts des Antragstellers zugunsten der früheren Ehefrau Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in monatlicher und auf das Ende der Ehezeit bezogener Höhe von 310,97 DM übertrug.
[4] Die frühere Ehefrau bezog aus der gesetzlichen Rentenversicherung zunächst eine Erwerbsminderungsrente und danach eine Vollrente wegen Alters. Sie starb am 2.5.2020, ohne versorgungsberechtigte Hinterbliebene zu hinterlassen, und wurde von der Antragsgegnerin, ihrer im Jahr 1983 geborenen und aus der Ehe mit dem Antragsteller hervorgegangenen Tochter, beerbt. Der Antragsteller bezieht seit dem 1.1.2019 eine Altersrente.
[5] Mit Antrag vom 29.10.2020 hat der Antragteller eine Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich begehrt. Er beruft sich darauf, dass der Wert des gesetzlichen Rentenanrechts der früheren Ehefrau wegen des Zuschlags an Entgeltpunkten durch die sogenannte Mütterrente eine wesentliche Wertänderung erfahren habe und erstrebt im Hinblick auf deren Vorversterben eine Rückgängigmachung des gesamten Versorgungsausgleichs. Die Beteiligte zu 2 (DRV Hessen) hat für das Anrecht des Antragstellers einen Ehezeitanteil von 19,0545 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 9,5273 Entgeltpunkten angegeben. Die Beteiligte zu 1 (DRV Bund) hat für das Anrecht der früheren Ehefrau mit ihrer ersten Auskunft vom 31.3.2021 einen Ehezeitanteil von 7,6915 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 3,8458 Entgeltpunkten mitgeteilt. Unter dem 13.10.2021 hat die DRV Bund auf Verlangen des Familiengerichts eine weitere Auskunft über eine "fiktive Berechnung mit Zuschlag nach § 307d SGBVI auf der Grundlage der seinerzeit bezogenen Altersrente der verstorbenen Versicherten" vorgelegt, aus der sich ein Ehezeitanteil von 9,0361 Entgeltpunkten und ein Ausgleichswert von 4,5181 Entgeltpunkten ergeben. Das Familiengericht hat durch Beschl. v. 23.11.2011 das Scheidungsverbundurteil vom 1.4.1998 mit Wirkung ab 1.11.2020 abgeändert und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der DRV Bund zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die DRV Bund mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.
B. [6] Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
I. [7] Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2022, 1100 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:
[8] Der Antragsteller könne sich für den Einstieg in das Abänderungsverfahren auf eine Wertänderung des Anrechts der früheren Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung berufen, die sowohl absolut als auch relativ wesentlich sei. Diese Versorgung sei als laufende Versorgung gemäß § 41 VersAusglG zu bewerten, weil sich das Anrecht der Ehefrau zum Zeitpunkt ihres Versterbens in der Leistungsphase befunden habe und durch das Versterben der Ehefrau nicht wieder in das Anwartschaftsstadium "zurückgefallen" sei. Beziehe der ausgleichspflichtige Ehegatte bereits eine Rente, sei gesetzlich festgelegter Endzeitpunkt für die Ermittlung der Rente und des belegungsfähigen Gesamtzeitraums nicht das Ende der Ehezeit, sondern der Kalendermonat vor Beginn der Rente (§ 72 Abs. 2 SGBVI). Die Fixierung des Berechnungszeitpunkts auf diesen Monat stelle, wenn der Rentenbeginn nach dem Ende der Ehezeit liege, eine rechtliche und tatsächliche Änderung dar, die gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG zu berücksichtigen sei. Nach dem Beginn des Bezuges einer Vollrente wegen Alters sei der Ausgleichswert in der gesetzlichen Rentenversicherung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daher allein aus den in der Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten der tatsächlich bezogenen Altersrente zu ermitteln. Daraus lasse sich ableiten, dass generell der Ehezeitanteil eines Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem endgültigen Bezug einer Rent...