Ausgangslage
Die Entscheidung des BGH vom 23.9.2015 befasst sich mit der Frage, ob ein vom Land erstrittener Titel über Kindesunterhalt nach der Einstellung der Unterhaltsvorschussleistungen auf das unterhaltsberechtigte Kind umgeschrieben werden kann.
Inhalt der Entscheidung
Der Antragsgegner war durch ein Urteil verpflichtet worden, für seine am 7.5.2005 geborene Tochter, die Antragstellerin, Unterhalt i.H.v. monatlich 100 % des jeweiligen Regelbetrags abzüglich des jeweils geltenden Kindergeldanteils ab dem 1.7.2009 zu zahlen. Das Land hatte an das Kind 72 Monate lang Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erbracht und seine Leistungen im Juli 2012 eingestellt. Die Antragstellerin beantragte nunmehr die Erteilung einer zweiten vollstreckbaren Teilausfertigung des vom Land erstrittenen Urteils gegen den Antragsgegner.
Das Amtsgericht hat der Antragstellerin antragsgemäß eine zweite vollstreckbare Teilausfertigung mit Rechtsnachfolgeklausel erteilt. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Klauselerinnerung des Antragsgegners und seine sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Der BGH hat die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.
Einordnung der Entscheidung
Der BGH hat sich in der Entscheidung vom 23.9.2015 mit der in der Rechtsprechung und Literatur bis dahin streitigen Frage der analogen Anwendung des § 727 ZPO auf die Fälle, in denen ein vom Land gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 UVG erstrittener Unterhaltstitel nach Einstellung der Vorschussleistungen auf das unterhaltsberechtigte Kind umgeschrieben werden soll, befasst und sie im Ergebnis bejaht.
Eine analoge Anwendung von § 727 ZPO war in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur mit zwei Argumenten abgelehnt worden. Zum einen habe es für eine analoge Anwendung an einer planwidrigen Regelungslücke gefehlt. Zum anderen sei in diesen Fällen zugunsten des jeweiligen Landes nur ein aufschiebend bedingter Forderungsübergang tituliert worden, der allein die auf das Land gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenen Unterhaltsansprüche erfasst habe, wenn und soweit das Land Unterhaltsvorschussleistungen an das Kind erbracht habe. Das Land habe mit dem Unterhaltstitel eine eigene künftige Forderung geltend gemacht mit der Folge, dass der gemäß § 7 Abs. 4 UVG zugunsten eines Landes ergangene Unterhaltstitel sich nicht auf den zukünftig zu zahlenden Kindesunterhalt bezogen habe.
Der BGH hat eine analoge Anwendung des § 727 ZPO bejaht. Nach seiner Auffassung sei weder den Gesetzesmaterialien noch dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 727 ZPO auf die Fälle der Rechtsnachfolge auf der Gläubiger- oder der Schuldnerseite habe beschränken wollen. Wenn ein Wechsel in der materiellen Berechtigung einer titulierten Forderung eine Titelumschreibung ermögliche, müsse dies erst recht gelten, wenn ein Unterhaltsberechtigter in Abweichung von der dem Unterhaltstitel zugunsten eines Dritten zugrunde liegenden Prognose eines Anspruchsübergangs die Befugnis erhalte, ein ihm materiell-rechtlich zustehendes Recht gerichtlich geltend machen zu können.
Die in Literatur und Rechtsprechung streitige Frage, ob das die Unterhaltsvorschussleistungen gewährende Land einen eigenen Anspruch oder den Unterhaltsanspruch des Kindes in Verfahrensstandschaft geltend mache, hat der BGH ausdrücklich offen gelassen. Nach seiner Auffassung rechtfertigt der Zweck des gemäß 120 Abs. 1 FamFG anwendbaren § 727 ZPO sowie die vergleichbare Interessenlage des Kindes seine analoge Anwendung.
Zweck der gemäß § 120 Abs. 1 FamFG auch für die Vollstreckung in Ehe- und Familienstreitsachen anwendbaren Vorschrift des § 727 ZPO sei es, die zur Vollstreckung notwendige Anpassung eines bestehenden Vollstreckungstitels an nachträgliche Veränderungen der materiellen Berechtigung bzw. Verpflichtung zu ermöglichen.
Nach dem Grundsatz in § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO sei zur Vollstreckung grundsätzlich nur die in dem Vollstreckungstitel bezeichnete Person berechtigt. Bei einer Änderung der materiellen Berechtigung durch Rechtsnachfolge könne die im Titel bezeichnete Person die Vollstreckung betreiben, ohne selbst materiell Berechtigte zu sein. Der Rechtsnachfolger dagegen könne, obwohl sein Anspruch tituliert sei, keine Zwangsvollstreckung betreiben, weil er formal in dem Vollstreckungstitel nicht als Gläubiger ausgewiesen sei. Zur Vermeidung der Notwendigkeit der Einleitung eines weiteren Verfahrens habe das Gesetz mit § 727 ZPO eine Möglichkeit geschaffen, einen existierenden Titel der materiellen Rechtslage anzupassen. Die Rechtsnachfolge müsse lediglich offenkundig oder durch geeignete Unterlagen nachgewiesen sein. Die Rechtsnachfolgeklausel finde auch Anwendung, wenn eine Partei kraft Amtes in die rechtlichen Befugnisse einer anderen Person eintrete, z.B. ein Insolvenzverwalter oder ein Erbe.
Die verfahrensrechtliche Situation des Kindes sei ähnlich der eines Rechtsnachfolgers, wenn ein Land gemäß § 7 Abs. 4 UVG einen Titel auch über den zukünftige...