Das Thema "Verlust des Arbeitsplatzes" geht natürlich mit dem Thema "Fiktionen" einher. Dieses Problem ist höchst praxisrelevant. Nehmen wir an, ein(e) Unterhaltspflichtige(r) wird mit den seitherigen Einkünften fingiert, weil er/sie den bisher innegehabten Arbeitsplatz vorwerfbar aufgegeben hat, oder es wird mit solchen Einkünften fingiert, die nach Herkommen und Erwerbsmöglichkeiten realistischerweise angenommen werden könnten: Wie lange währt die Fiktion? Ein, zwei, fünf Jahre?
Aus der jüngeren BGH-Rechtsprechung kann hierzu über zwei Fälle berichtet werden. In einem Fall hatte der BGH über eine vorausgegangene Säumnissituation zu entscheiden. Die unterhaltsberechtigte Seite hatte für den Mann zu hohe Einkünfte vorgetragen, über die er nicht verfügte. Weil er sich nicht zur Wehr setzte, kam es zum Versäumnisurteil. Weil er auch keinen Einspruch eingelegt hat, wurde das Versäumnisurteil rechtskräftig. Der BGH stellt hier auf eine Änderung der tatsächlich vorhandenen Einkünfte ab. Das führte im genannten Fall zu dem Ergebnis, dass sich der Mann nur auf die Differenz "früher tatsächlich – jetzt tatsächlich" berufen konnte, nicht auch auf denjenigen Teil, der ihm zu Unrecht zugerechnet worden ist. Nur in dem Umfang also, in dem sich die tatsächlich vorliegenden Umstände inzwischen geändert haben, ist die Abänderung des rechtskräftigen Versäumnisurteils zulässig.
In einem anderen Fall hatte der Aufenthalt der Kinder von der Mutter zum Vater gewechselt. Die Mutter erstellte (einseitig) Jugendamtsurkunden, mit welchen sie sich zur Zahlung von 100 % des Regelbetrags nach der RegelbetragVO verpflichtete. Zu ihrer Vita im maßgeblichen Zeitraum (Frühjahr 2004) ist mitgeteilt, sie habe in wechselnden Anstellungen gearbeitet, teilweise im Geringverdienerbereich gejobbt, sei kurzfristig arbeitslos geworden und habe Arbeitslosengeld bezogen. Gestützt auf die Aufnahme einer Ausbildung im Jahre 2009 beantragte sie, dass der titulierte Unterhalt herabgesetzt werde. Der BGH hat das gebilligt, weil sich in der Folgezeit – anders als bei Errichten der Titel noch angenommen – herausgestellt habe, dass die Mutter als ungelernte Arbeiterin nicht in der Lage sei, hinreichende Einkünfte zu erzielen. Und weiter: Diese spätere Erkenntnis berechtige zur Abänderung ihres Anerkenntnisses, weil sich erst später herausgestellt habe, dass sie auf der Grundlage der tatsächlich erzielbaren Einkünfte nur geringere und ab Beginn ihrer Ausbildung keine Unterhaltsleistungen mehr erbringen könne. Es kommt also darauf an, ob eine einmal getroffene Prognose aufrechtzuerhalten ist. Denn im Falle fortlaufender Erwerbsbemühungen kann es durchaus irgendwann zu dem Punkt kommen, an welchem man objektiv feststellen muss, ein Erfolg sei ausgeblieben und werde sich auch nicht mehr einstellen.
Der BGH verlangt also von der unterhaltsverpflichteten Seite, dass sie eine zwischenzeitliche Änderung der Verhältnisse darlegt. Den Abänderungsantrag kann sie darauf stützen, an einer getroffenen Prognoseentscheidung sei zumutbarerweise nicht mehr festzuhalten. Der Zeitablauf allein reicht hierfür nicht aus.