Einen anderen Kurvenverlauf hat die zweite Unterhaltsbeziehung, die wir betrachten wollen, nämlich der Betreuungsunterhalt der Mutter eines nichtehelichen Kindes, bzw. des betreuenden Vaters. Die Stationen seien kurz skizziert.
1. Ursprünge im Schadensersatzrecht
Einen eigentlichen Unterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes gegen den Vater gab es ursprünglich im BGB von 1896 nicht. Das Gesetzbuch bietet gewisse Reste eines Deliktsanspruchs, der einst im gemeinen Recht stark ausgebaut gewesen war (Anspruch wegen Schwächung und Schwängerung von Jungfrauen und Witwen), nun reduziert auf den Ersatz der Entbindungskosten und der entbindungs- und schwangerschaftsbedingten Aufwendungen; in diesen Rahmen gehörte auch der Unterhalt für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung. Ja, meine Herren, das waren noch Zeiten!
2. 1969: Betreuungsunterhalt für ein Jahr, wenn das Kind "andernfalls nicht versorgt werden kann"
Sie dauerten an bis zum Nichtehelichengesetz von 1969, das den "Entbindungsunterhalt" auf die Zeit von sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt verlängerte. Darüber hinaus wurde ein Unterhaltsanspruch bis ein Jahr nach der Entbindung eingeführt, wenn die Mutter wegen der Schwangerschaft oder wegen schwangerschafts- oder entbindungsbedingter Krankheit nicht erwerbstätig sein konnte. Dem war schließlich der Fall gleichgestellt, dass die Mutter nicht oder nur beschränkt erwerbstätig war, weil das Kind andernfalls nicht versorgt werden konnte, ebenfalls beschränkt auf ein Jahr nach der Geburt. Das ist der Anfang eines echten Unterhaltsanspruchs der nichtehelichen Mutter gegen den Vater. Vom Vater als Kindesbetreuer war noch nicht die Rede. Mit diesem Rechtszustand wollen wir unsere Charts einsetzen lassen.
3. 1995: Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz; Unterhalt für drei Jahre, das Erscheinen des Vaters
Der nächste Sprung erfolgte erst im Jahre 1995 durch das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz. Der Unterhalt konnte der Mutter nun bis zu drei Jahren nach der Geburt des Kindes gewährt werden. Der Anspruch war begründet, "soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann". Auch der betreuende Vater kam nun ins Spiel, der seitdem gegen die Mutter einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt haben konnte, diesen aber nach dem Gesetzeswortlaut nicht begrenzt auf drei Jahre.
4. 1997: Kindschaftsrechtsreform; Überschreitung der 3-Jahresgrenze bei "grober Unbilligkeit"
Schon zwei Jahre später, durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1997, wurde die Position des betreuenden Elternteils weiter ausgebaut. Seitdem konnte die Drei-Jahresgrenze überschritten werden, wenn es "insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Kindes grob unbillig wäre, den Unterhalt nach Ablauf der drei Jahre zu versagen."
5. 2008: Angleichung an den Betreuungsunterhalt bei Scheidung
Die nächste Station in der Aufwärtsentwicklung beruht schließlich auf der Reform 2008. Diese beließ es zwar bei der Regeldauer von drei Jahren nach Geburt des Kindes, für eine Verlängerung darüber hinaus gilt aber nicht mehr das Kriterium der "groben Unbilligkeit", sondern der schlichten Billigkeit, wie dies auch für den Betreuungsunterhalt nach einer Scheidung vorgesehen ist (§ 1570 Abs. 1 S. 2, 3 BGB) – insofern hat die Mutter eines nichtehelichen Kindes mit der geschiedenen Mutter gleichgezogen.
6. Entwicklungslinie
Aufs Ganze gesehen befindet sich der Unterhaltsanspruch für die Betreuung eines nichtehelichen Kindes in fortgesetztem Aufschwung. Eine Gleichstellung mit den Rechten der geschiedenen Mutter ist gleichwohl nicht völlig erreicht. Denn bei der nichtehelichen Mutter gibt es – das Maß betreffend – keine "ehelichen Lebensverhältnisse" und nach Ende des Unterhalts wegen Kindesbetreuung keine Anschlusstatbestände. Doch werden diese Unterschiede nivelliert, zum einen durch die Doktrin von den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen", zum anderen durch die neue Härteklausel des § 1578b. Auf den Charts siedeln wir das erreichte Niveau etwas unterhalb der Unterhaltsaussichten von geschiedenen Ehegatten an, die Differenz fällt aber nicht mehr sehr groß aus.