Kinder haben gegenüber ihren Eltern Anspruch auf Finanzierung einer angemessenen Ausbildung zu einem Beruf (§ 1610 Abs. 2 BGB), die ihnen wirtschaftliche Selbstständigkeit vermittelt. Wie für jeden Unterhalt Beanspruchenden gilt, dass er alles Mögliche und Zumutbare tun muss, um die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen so gering wie möglich zu halten. Dieser Grundsatz wirkt sich in der Rechtsprechung auf vielfältige Weise aus.
1. Obliegenheiten des Kindes im Zusammenhang mit seiner Ausbildung
Nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit obliegt es dem unterhaltsberechtigten Kind, nach Abschluss der Schulausbildung die berufliche oder weiterführende schulische Ausbildung zeitnah zu beginnen. Es muss sich alsbald um einen entsprechenden Ausbildungsplatz bemühen und unter Berücksichtigung einer gewissen Orientierungsphase in die Ausbildung eintreten und diese zielstrebig durchführen. Indes gibt es keine feste Altersgrenze, bis zu der ein Jugendlicher oder ein volljähriges Kind eine Ausbildung aufgenommen haben muss. Betreut das unterhaltsberechtigte Kind selbst Kinder, geht der Ausbildungsunterhaltsanspruch gegen seine Eltern nicht verloren, selbst wenn die Erstausbildung erst neun Jahre nach Schulabschluss aufgenommen wurde.
2. Beachtlichkeit und bedarfsdeckende Wirkung von tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkünften
Die dem Kind gezahlte Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 56 ff. SGB III ist bedarfsdeckendes Einkommen.
3. Bedarfsdeckender Einsatz von verfügbarem Vermögen durch das volljährige, im Studium befindliche Kind
Ein volljähriges Kind, das sich im Studium befindet, muss jegliches zu seiner freien Verfügung stehendes Vermögen zur Deckung seines Lebensbedarfs einsetzen. Dies hat sukzessive bis zu dessen vollständigen Verbrauch zu geschehen. Erst danach kommt die Unterhaltsverpflichtung der Eltern zum Tragen. Die Obliegenheit ist unabhängig davon, woher das Vermögen kommt und welche Vorstellungen des Zuwendenden mit der Zuwendung des Vermögens verbunden waren. Wird das Vermögen anderweitig verbraucht, muss sich das Kind als Folge eines Obliegenheitsverstoßes so behandeln lassen, als ob noch Vermögen vorhanden wäre und bedarfsdeckend eingesetzt werden könnte. Von dem Vermögen ist ein Schonbetrag abzuziehen. Dieser kann in Anlehnung an den sog. Notgroschen des Sozialhilferechts bemessen werden. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II sind vom Vermögen abzusetzen ein Grundfreibetrag von 150 EUR je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person, mindestens aber jeweils 3.100 EUR. Auch ist vertretbar, bei einem Studenten den nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG frei zu stellenden Betrag von 5.200 EUR bzw. 7.500 EUR (Änderung ab dem 1.8.2016) zugrunde zu legen.
In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass Vermögen teilweise oder in Gänze für andere Zwecke als zur Finanzierung der Ausbildung verbraucht wird. Dieser Vorgang muss unter unterhaltsrechtlichen Kriterien geprüft werden. Die Verwendung des Vermögens kann unterhaltsrechtlich vorwerfbar sein. Dies muss für die jeweilige Ausgabe gesondert geprüft werden. Maßstab ist § 1579 Nr. 4 BGB. Es bedarf der Feststellung, dass die Ausgabe mit der Vorstellung getätigt wurde, sich mutwillig bedürftig zu machen. Trotz Kenntnis der Bedürftigkeit dürften diese Voraussetzungen nicht gegeben sein, wenn Ausgaben im Interesse des Studiums getätigt wurden (Kauf eines Computers). Stets sind auch die wirtschaftlichen Interessen der Unterhaltspflichtigen und deren wirtschaftliche Verhältnisse einzubeziehen. Ist die Ausgabe nicht hinnehmbar, wird das Vorhandensein des ausgegebenen Vermögenswertes fingiert.
Auch wenn die vorgenannten Voraussetzungen für eine fiktive Zurechnung von Vermögen nach Lage des Falles nicht gegeben sein sollten, kann ein Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes wegen selbst verschuldeter Herbeiführung seiner Bedürftigkeit nach § 1611 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB teilweise oder in Gänze verwirkt sein. So kann es liegen, wenn das volljährige Kind sein gesamtes Vermögen von 80.000 EUR für ein Wohnrecht in dem von ihm bereits (mit-)bewohnten, seiner Mutter gehörenden Hausanwesen weggegeben hat und es dieses Vermögen zeitlich vorgehend von dem nunmehr auf Unterhalt in Anspruch genommenen Elternteil erhalten hat. Ohne diese Weggabe würde es über ein erhebliches Vermögen verfügen, aus dem es seinen Unterhaltsbedarf für einen längerfristigen Zeitraum, voraussichtlich sogar bis zum vollständigen Abschluss seiner Ausbildung und möglicherweise auch darüber hinaus, unschwer hätte bestreiten können.