Nach § 1573 Abs. 2 BGB kann der geschiedene Ehegatte, der nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570–1572 BGB hat, den Unterschiedsbetrag (Aufstockungsunterhalt) zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen, wenn seine Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt i.S.d. § 1578 BGB nicht ausreichen.
Nach dieser Vorschrift wird gewährleistet, dass ein Ehegatte, der seiner Erwerbsobliegenheit in vollem Umfang nachkommt, gleichwohl Unterhalt verlangen kann, bis der Standard der ehelichen Lebensverhältnisse erreicht ist. Bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs kann es zur Anrechnung fiktiver Einkünfte kommen, wenn der geschiedene Ehegatte unter Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit keiner Beschäftigung oder lediglich einer Teilzeittätigkeit nachgeht. Auch wenn in § 1573 Abs. 2 BGB kein Einsatzzeitpunkt genannt ist, muss ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Scheidung auch hier gewahrt sein. Ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt kann sich ferner im Anschluss an einen Unterhaltsanspruch wegen Betreuung von Kindern, Altersunterhalt, Krankheitsunterhalt oder Ausbildungsunterhalt ergeben, § 1573 Abs. 3 BGB. Ein Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 4 BGB kann sich ergeben, wenn der Berechtigte seinen Unterhalt nicht durch eine nachhaltig gesicherte Erwerbstätigkeit hat bestreiten können. Die Vorschrift stellt sicher, dass nicht jedes Arbeitsplatzrisiko oder persönliche Umstände von der nachehelichen Solidarität aufgefangen werden, sondern grundsätzlich jeder Ehegatte die Folgen einer zukünftigen Entwicklung selbst tragen muss. Nur wenn es einem Ehegatten trotz ernsthafter Anstrengungen nicht gelungen ist, aus den Einkünften seiner angemessenen Tätigkeit seinen Unterhalt zu decken, ist zu prüfen, ob nach allgemeiner Lebenserfahrung im Zeitpunkt der Aufnahme der Erwerbstätigkeit dieser als dauerhaft angesehen werden konnte.
Ein unterhaltsberechtigter Ehegatte hat die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Aufstockungsunterhalts sowie die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse, nach denen sich sein Unterhaltsanspruch bemisst. Der Anspruchsberechtigte hat darzulegen:
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dass der Einsatzzeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung gewahrt ist, |
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evtl. einen Wegfall der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570–1572 oder 1575 BGB, |
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dass er einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachgeht, |
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die Höhe des von ihm aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit erzielten Einkommens, |
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ggf. die Einkünfte, die nachehelich als Surrogat an die Stelle der früheren Haushaltstätigkeit und Kindererziehung getreten sind und die im Wege der Differenz- oder Additionsmethode in die Unterhaltsberechnung mit einzubeziehen sind, |
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die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse und die Höhe des die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmenden Einkommens, mithin die Bruttoeinnahmen sowie die Abzüge vom Einkommen beider Ehegatten, |
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bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen, in welchem Umfang das Einkommen den Ehegatten zur Finanzierung des allgemeinen Lebensbedarfs zur Verfügung stand und nicht der Vermögensbildung diente, |
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seinen konkreten Bedarf (bei Berechnung nicht nach der Quotenmethode 3/7) nach den ehelichen Lebensverhältnissen, |
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seine Bedürftigkeit, mithin, dass seine Eigenmittel nicht zur Deckung des vollen Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen ausreichen (siehe auch unter Gliederungspunkt Bedürftigkeit). |