Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Kindergeldzahlung; Ausschlussgrund gem. § 65 Abs. 1 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Kindergeld wird nicht gezahlt, wenn gem. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Leistungen im Ausland gewährt werden bzw. zu zahlen wären. § 65 EStG findet nur dann Anwendung, wenn die Vorschriften der vorrangig anwendbaren VO (EWG) 1408/71 nicht eingreifen. Die VO gilt grundsätzlich auch für Selbständige (Art. 1 Buchstabe a, Art. 2 und Art. 73 der EU-VO Nr. 1408/71), die gegen mindestens ein Risiko der Sozialversicherung versichert sind.
Normenkette
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 (VO (EWG) 1408/71) Art. 1 Buchst. a; EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger ist polnischer Staatsbürger und in Deutschland als selbständiger … tätig. Sein Gewerbe hat er in Deutschland am 3.11.2004 angemeldet (Bl. 39 der KiG-Akte). Er wohnt seit dem 28.10.2004 in L (Anmeldebestätigung der Stadt L, Bl. 40 KiG-Akte).
Im Jahr 2006 beantragte der Kläger Kindergeld für seine in Polen bei seiner Ehefrau lebende am 1.7.1988 geborene Tochter B. Nach seinem Kindergeldantrag befindet sich das Kind in der Zeit von 2004 bis 2007 in Schul- oder Berufsausbildung. Dem Kindergeldantrag fügte der Kläger das Formular E 411 bei (Bl. 8 KiG-Akte). Hiernach wurden für das Kind für den Zeitraum Oktober 2004 bis Oktober 2005 monatliche polnische Familienleistungen in Höhe von 43 und 90 Zloty gezahlt. Weiterhin fügte der Kläger ein polnisches Schreiben vom 4.1.2006 bei (Bl. 7 KiG-Akte). Nach der Übersetzung (Bl. 9 der KiG-Akte) wird hierin bescheinigt, dass die Mutter des Kindes am 3.11.2005 in Polen einen schriftlichen Verzicht auf die Familienbeihilfe für die Tochter B „mit der Erklärung eingelegt (habe), dass die Tochter auf den Unterricht verzichtet hat. Aufgrund des obigen (sei) die weitere Auszahlung der Leistung gemäß polnischer Gesetzgebung eingestellt” worden.
Mit Bescheid vom 22.5.2006 lehnte die Beklagte zunächst den Antrag auf Kindergeld ab (Bl. 16, 17 der KiG-Akte). Auf die Begründung im Bescheid wird im Einzelnen verwiesen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein.
Während des Einspruchverfahrens legte der Kläger die Formulare E 401 und E 402 vor, sowie eine Bescheinigung über die Erwerbstätigkeit der Ehefrau für die Zeit 25.5.2007 bis 10.6.2008. Des Weiteren erklärte der Kläger, dass er nicht der deutschen Sozialversicherung unterliege. Hierfür legte er eine Bescheinigung der ZUS in Polen vor (Bl. 22 der KiG-Akte). Für die Absicherung des Alters habe er eine private Lebensversicherung abgeschlossen. Des Weiteren teilte er mit, dass er für die Zeit März 2006 bis März 2007 in Polen krankenversichert gewesen sei und ab dem 1.4.2007 bei der H Versicherung AG in L eine Krankenversicherung abgeschlossen habe.
Mit Schreiben vom 18.6.2007 teilte der Kläger zudem mit, dass seine Tochter in diesem Monat Abitur mache und anschließend studieren werde (Bl. 26 der KiG-Akte).
Nach Aktenlage unter Heranziehung der nicht übersetzten Anlagen E 401 und E 402 stellte sich für die Familienkasse der Sachverhalt wie folgt dar (Bl. 47 KiG-Akte):
Zeitraum 10/2004 bis 10/2005 Kläger hat polnische Familienleistungen erhalten
Zeitraum 11/2005 bis 04/2007 Kläger hat keine polnischen Familienleistungen erhalten
Zeitraum 05/2007 bis 06/2008 Kläger hat keine polnischen Familienleistungen erhalten, Ehefrau war in diesem Zeitraum erwerbstätig
Aufgrund dieses Sachverhalts erließ die Beklagte am 24.4.2008 einen Änderungsbescheid. Hiernach wurde dem Kläger Kindergeld für die Tochter B für die Zeit von Oktober 2004 bis April 2007 in Höhe von monatlich 77 EUR und für die Zeit von Mai 2007 bis Juni 2008 in Höhe von 154 EUR monatlich gewährt. Mit Einspruchsentscheidung vom 25.4.2008 wurde der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. In ihrer Einspruchsentscheidung führte die Beklagte aus, dass der Einspruchsführer zwar die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG erfülle. Für das Kind bestehe aber zugleich auch ein Kindergeldanspruch in Polen. Die Konkurrenz der Ansprüche sei über Art. 10 DVO 574/72 und über Art. 12 VO 1408/71 und 7 DVO zu lösen. Auf die weitere Begründung der Einspruchsentscheidung wird verwiesen (Bl. 53 bis 57 der KiG-Akte).
Mit der Klage verfolgt der Kläger die Kindergeldzahlung in voller gesetzlicher Höhe (154 EUR) für den Zeitraum November 2005 bis April 2007 weiter.
Zur Begründung trägt er vor, dass für den Streitzeitraum in Polen kein Kindergeld bezogen worden sei. In diesem Zeitraum sei die Ehefrau auch nicht erwerbstätig gewesen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Änderungsbescheids vom 24.4.2008 und der Einspruchsentscheidung vom 25.4.2008 soweit diese den Zeitraum November 2005 bis April 2007 und die Ablehnung einer Zahlung über monatlich 77 EUR hinaus betreffen, die Beklagte zu verpflichten, über den Anspruch auf Kindergeld unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zwar habe der Kläger seit Oktober 2004 grunds...