Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Steuerhaftung des Nachfolgers eines Bodenverlegers mit nur einem Kunden
Leitsatz (redaktionell)
Wer als Nachfolger eines Bodenverlegers mit nur einem Kunden, dessen Betrieb von der Familienwohnung aus betrieben wurde, einen neuen Fußbodentechnikbetrieb eröffnet, haftet nicht nach § 25 HGB direkt oder analog oder gem. § 75 AO für die Steuerschulden des Vorgängers.
Normenkette
HGB § 25; AO § 75
Tatbestand
Streitig ist die Haftungsinanspruchnahme nach § 25 Handelsgesetzbuch (HGB).
Der Ehemann der Klägerin, Herr I 2, meldete zum 01.07.1988 einen selbständigen Handwerksbetrieb „Bodenleger” mit Betriebssitz in der gemeinsamen Wohnung der Eheleute an. Nach außen trat Herr I 2 unter der Bezeichnung „I Fußböden” auf (Bl. 53 der Gerichtsakte). Den Betrieb meldete er am 07.01.2004 unter Angabe der damaligen Ehewohnung A-Straße 1 in A mit Wirkung zum 31.12.2003 ab. Er gab an, sein Handwerk vollständig aufzugeben. Im Verzeichnis der Inhaber handwerksähnlicher Betriebe der Handwerkskammer O wurde er am 02.01.2004 gelöscht (Bl. 54 – 56 der Gerichtsakte).
Mit Schreiben vom 06.01.2004 (Bl. 8 der Gerichtsakte) erstattete Herr I 2 Selbstanzeige und überreichte geänderte Steuererklärungen nebst Gewinnermittlung für die Kalenderjahr 2000 bis 2002 und gab berichtigte Umsatzsteuervoranmeldungen für das Kalenderjahr 2003 ab. Die Umsatzsteuervorauszahlungen für das erste und zweite Quartal 2003 wurden am 07.01.2004 fällig, die Vorauszahlung für das dritte Quartal 2003 am 10.05.2004 und für das vierte Quartal 2003 am 10.02.2004. Die Umsatzsteuer 2000 bis 2002 wurde am 24.05.2004 fällig, die Umsatzsteuer 2003 am 31.01.2005. Darüber hinaus wurden Zinsen zur Umsatzsteuer 2000 und 2001 mit Fälligkeit 24.05.2004 festgesetzt (s. Anlage zum Haftungsbescheid). Der Gesamtbetrag der festgesetzten und fälligen Steuern betrug danach 21.315,42 Euro. Die Vollstreckung blieb bei Herrn I 2 ohne Erfolg.
Am 08.01.2004 meldete die Klägerin bei der Stadt A das Gewerbe „Verlegung von Fliesen, Platten und Mosaik, Parkett, Estrich und Bodenbeläge aller Art sowie deren Einzelhandel” mit Wirkung zum 01.01.2004 als Neugründung an.
Nach Anhörung der Klägerin zu einer beabsichtigten Inanspruchnahme als Haftende nach § 75 Abgabenordnung (AO), § 25 Handelsgesetzbuch (HGB) nahm der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 07.04.2005 für die vorgenannten Steuerschulden des Ehemanns sowie Säumniszuschläge in Höhe 2.356,50 Euro gemäß § 25 HGB in Anspruch. Die Klägerin habe ein vollkaufmännisches Handelsgeschäft des Herrn I 2 übernommen. Für den Verkehr sei der tatsächliche Erwerb maßgeblich, nicht das interne Vertragsverhältnis. Maßgeblich sei die Kontinuität des Unternehmens nach außen, die sich in der Fortführung des Handelsgeschäfts und der Firma erweise. Es könne nicht um eine Neugründung gehen, denn bei den betrieblichen Örtlichkeiten handele es sich um die private Wohnung der Familie. Ein weiteres Geschäftslokal oder Lager werde nicht unterhalten. Der Hauptauftraggeber werde weiterhin fortgeführt. Bei Rechnungslegung werde der bisherige Firmenname mit dem Zusatz „Inhaber I 1” verwendet. Damit hafte sie für alle Steuerschulden des übernommenen Betriebes. Die Haftung sei nicht nach § 25 Abs. 2 HGB ausgeschlossen. Die Haftungsinanspruchnahme sei wegen der fehlenden Zahlung durch den früheren Betriebsinhaber und fehlende Vollstreckungsmaßnahmen ermessensgerecht.
Der Einspruch, mit dem die Klägerin Fehler bei der Ermittlung des Haftungszeitraumes rügte, blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 19.05.2006 blieb der Beklagte bei seiner Auffassung, § 25 HGB sei als Haftungsnorm erfüllt. Die Klägerin habe durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden das Handelsgeschäft ihres Ehemannes erworben. Der Vortrag, es handele sich um eine Neugründung und fehle an einer rechtsgeschäftlichen Übertragung, sei eine Schutzbehauptung. Im Übrigen habe die Klägerin den Tatbestand des § 75 AO neben dem des § 25 HGB erfüllt. Wegen der Darlegung dieses Haftungsgrundes verweise er auf die Ausführungen in dem streitigen Bescheid. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Mit der Klage trägt die Klägerin vor, die Voraussetzungen des § 25 HGB seien nicht erfüllt. Die Fortführung der Firma werde bestritten, falls überhaupt eine solche vorliege. Herr I 2 habe kein Handelsgeschäft im Sinne des § 25 HGB betrieben. Er habe nur einen Kunden gehabt, Herrn N, für den Lohnarbeiten ausgeführt worden seien. Umsätze mit anderen Auftraggebern seien unerheblich gewesen. Was sie, die Klägerin, nun genau übernommen haben solle, habe der Beklagte nicht mitgeteilt. Die Übernahme eines Kunden stelle keine Übertragung eines Handelsgeschäfts dar. Ihr Ehemann habe sein Unternehmen vom Wohnzimmer aus betrieben. Ein Warenlager oder nennenswerte Betriebsmittel, insbesondere Maschinen, seien nicht vorhanden gewesen. Letztlich sei er damit Scheinselbständiger bei der Firma N gewesen.
Es habe ein Erwerb eines Geschäfts unter Lebenden stattgefunde...