Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebensmittelkosten keine agB
Leitsatz (redaktionell)
Durch Bulimie verursache erhöhte Lebensmittelkosten sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 1, § 33
Tatbestand
Streitig ist, ob durch Bulimie verursachte erhöhte Lebensmittelkosten der Ehefrau des Klägers im Streitjahr 2015 als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.
Der Kläger ist verheiratet und wird im Streitjahr 2015 mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Ehefrau ist seit Jahren psychisch erkrankt und leidet u.a. an Bulimie. Sie bezieht seit Anfang 2012 dauerhaft eine Erwerbsunfähigkeitsrente von der Rentenversicherung.
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Eheleute u.a. krankheitsbedingte Mehraufwendungen für Lebensmittel mit pauschal 80,00 € pro Woche (mithin 4.160,00 €) als außergewöhnliche Belastung geltend.
Der Beklagte lehnte mit Einkommensteuerbescheid vom 15.11.2015 den Abzug der durch die Bulimieerkrankung der Ehefrau des Klägers verursachten Mehraufwendungen für Lebensmittel als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG ab. Ohne Nachweis der tatsächlich angefallenen Aufwendungen sei ein Abzug nicht möglich.
Den hiergegen eingelegten Einspruch (18.11.2016) begründet der Kläger damit, dass die Erkrankung seiner Ehefrau nachgewiesen sei und ihr zusätzlich außergewöhnliche Kosten entstanden seien, deren Höhe ggf. zu schätzen sei. Seine Ehefrau sei sehr schwer erkrankt. Das belegten die bereits beim Beklagten vorliegenden Gutachten. Seit dem Alter von 32 Jahren beziehe sie eine volle Erwerbsminderungsrente und verfüge über einen Grad der Behinderung von 50. Allein der Umstand, dass die Erwerbsminderungsrente ohne Befristung gezahlt werde, zeige, dass keine Heilung in Sicht sei. Aus den ärztlichen Gutachten ergäbe sich ebenfalls, dass seine Ehefrau neben Depressionen, Angstzuständen usw. seit ca. 20 Jahren an Bulimie leide. Die geltend gemachten Lebensmittelkosten könnten nicht ärztlich verordnet werden. Das sei in der Praxis schlichtweg nicht möglich. Bisherige Therapieversuche seien alle erfolglos verlaufen. Seine Ehefrau erleide mindestens fünf Mal am Tag Heißhungerattacken. Es gebe zwar Tage, an denen sie keine Heißhungerattacken habe. Dies sei aber sehr selten. Pro Heißhungerattacke (bis zu 8.000 kcal) würden Lebensmittel im geschätzten Wert von mindestens 10,00 € „verschlungen” und wieder erbrochen. Bei mindestens 20 Attacken pro Woche ergäben sich krankheitsbedingte Mehrkosten in Höhe von mindestens 200,00 € pro Woche. Er habe lediglich 80,00 € pro Woche geltend gemacht, was nach dem Krankheitsbild seiner Ehefrau als glaubhaft gelte.
Mit Einspruchsentscheidung vom 02.01.2017 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Es bestünden keinesfalls Bedenken, Kosten im Rahmen von § 33 EStG zu berücksichtigen, die der Heilung der Bulimieerkrankung der Ehefrau des Klägers dienten oder dazu dienten, ihr die Krankheit erträglich zu machen. Kosten für Lebensmittel, die der Befriedigung der Erkrankung dienten, seien indes nicht abzugsfähig. Die Nahrungsmittel hätten für die Ehefrau keine therapeutische Notwendigkeit. Die Kosten zielten auch nicht auf die Wiederherstellung der Gesundheit der Ehefrau des Klägers ab.
Die geltend gemachten Aufwendungen seien auch außerhalb des Bereichs der Krankheitskosten nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, da sie nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG erwüchsen. Aufwendungen eines Süchtigen zur Befriedigung seiner Sucht könnten nicht als unabwendbares Ereignis angesehen werden. Es könne zwar sein, dass eine Suchterkrankung die Steuerungsfähigkeit des Erkrankten soweit einschränken könne, dass dieser sich infolge der Sucht den Ausgaben zu ihrer Befriedigung nicht entziehen vermöge. Dadurch erfüllten die hierdurch entstehenden Kosten allerdings nicht die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 EStG.
Mit der hiergegen erhobenen Klage vom 27.01.2017 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Ergänzend zu seinen Ausführungen in seinem Einspruch führt er aus, dass seine Ehefrau sich in einer „notstandsähnlichen Zwangslage” im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – (Urteil vom 02.09.2010 VI R 11/09, BStBl II 2011, 119 und BFH-Urteil vom 26.06.2003 III R 36/01, BStBl II 2004, 47) befinde. Die Rechtsauffassung des Beklagten, dass die zusätzlichen Lebensmittelkosten nicht der Heilung oder Linderung der Erkrankung seiner Ehefrau dienten, sei ihm bekannt, aber überholt. So könnten die Mehrkosten für Lebensmittel bei Bulimieerkrankten in Österreich (Urteil des Bundesfinanzgerichts vom 07.07.2015 zu GZ. RV/7105444/2014) geltend gemacht werden. Es könne seiner Auffassung nach beim Krankheitsbild Bulimie nicht unterschieden werden zwischen Heilung, Linderung oder Befriedigung der Suchtkrankheit. Bei dem Gesamtkrankheitsbild seiner Ehefrau spielten viele Faktoren eine Rolle. Bulimie sei grundsätzlich nicht...