Leitsatz
Wenn der Schuldner keinen Unterhalt gewährt, kann er auch keinen erhöhten Pfändungsfreibetrag für gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen für sich beanspruchen.
AG Prenzlau, Beschl. v. 23.12.2019 – 6 M 2803/19
1 I. Die Entscheidung
Schuldner zahlt keinen Unterhalt
Dem Antrag der Gläubigerpartei auf Abänderung des unpfändbaren Einkommensteils des Schuldners war zu entsprechen.
Von der Gläubigerpartei wurde durch Vorlage der Vermögensauskunft des Schuldners vom 4.11.2019 glaubhaft gemacht, dass der Schuldner zwar den Kindern J und D zum Unterhalt verpflichtet ist, jedoch keinen Unterhalt zahlt.
Nichtberücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen
Das Kind D ist somit bei der Berechnung des pfändbaren Betrages nicht zu berücksichtigen. Das Kind J ist nur zu 50 % zu berücksichtigen. Auch für dieses Kind zahlt der Schuldner keinen Unterhalt. Das unterhaltsberechtigte Kind J wohnt nicht im Haushalt des Schuldners. Das Kind wohnt alle 14 Tage bei ihm und er leistet in dieser Zeit Naturaluntehalt. Die Mutter des Kindes hat entweder eigenes Einkommen oder bezieht Sozialleistungen bzw. ergänzende Sozialleistungen. Das Kind hat somit zusätzlich einen Unterhaltsanspruch gegen die Mutter. Dieser Unterhaltsanspruch kann als Einkommen gewertet werden. Das Kind ist somit nur zur Hälfte als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen. Die Mutter bezieht mindestens den Regelsatz gem. SGB II bzw. XII i.H.v. 424,00 EUR zzgl. Kindergeld i.H.v. 204,00 EUR sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung (ca. 550,00 EUR) sowie den Regelsatz für das Kind i.H.v. 332,00 EUR. Die Mutter muss den Kindern Unterhalt in Form von Naturalleistungen erbringen. Mithin ergibt das ein angenommenes Einkommen von 2.006,00 EUR (JurBüro 2019, 288; BGH vom 28.9.2019 – VII ZB 14/16).
2 Der Praxistipp
Hier gilt § 850c Abs. 2 und nicht Abs. 6 ZPO
"Gewährt" der Schuldner aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten – insbesondere seinen Kindern – oder nach den §§ 1615l und 1615n BGB einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Pfändungsfreibetrag nach § 850c Abs. 1 ZPO für die erste bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, nach § 850c Abs. 2 ZPO.
Entzieht sich der Schuldner jedoch seiner Unterhaltspflicht, so "gewährt" er also den Unterhalt nicht und es liegen schon nicht die Voraussetzungen für die Erhöhung des Pfändungsfreibetrages nach § 850c Abs. 2 ZPO in der seit dem 8.5.2021 geltenden Fassung vor.
Gläubiger kann Klarstellungsbeschluss erwirken
Hat der Gläubiger von einem solchen Sachverhalt – im Fall des AG durch das Vermögensverzeichnis – Kenntnis, kann er keinen Antrag nach § 850c Abs. 6 ZPO auf Nichtberücksichtigung einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person stellen, weil dieser Antrag eigene Einkünfte der nicht zu berücksichtigenden Person voraussetzt.
Er muss also einen Klarstellungsbeschluss bei dem Vollstreckungsgericht beantragen, dass der Drittschuldner verpflichtet wird, die Person, die keinen Unterhalt erhält, bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrags nicht zu berücksichtigen (BGH v. 28.9.2017 – VII ZB 14/16, FoVo 2018, 148). Ein Antrag ist also auch erforderlich, aber eben mit abweichendem Inhalt.
FoVo 1/2022, S. 15 - 16