I. Das Problem
Kann ein Tier gepfändet werden?
Der Schuldner hat ein Tier im Haushalt, von dem zu vermuten ist, dass es aus einer besonderen Zucht stammt und einen gewissen Wert hat. Kann ich als Gläubiger auf dieses Tier zugreifen? Was muss beachtet werden?
II. Die Lösung
Grundsatz: ein Tier ist unpfändbar
Die Pfändung eines wertvollen Tieres im häuslichen Bereich richtet sich nach § 811c Abs. 1 ZPO. Danach ist ein Tier, das im häuslichen Bereich nicht zu Erwerbszwecken gehalten wird, grundsätzlich unpfändbar. Aber auch hier gilt: Keine Regel ohne Ausnahme. Es lohnt sich also weiterzulesen.
Was bedeutet "häuslicher Bereich"?
Für die Beurteilung des Pfändungsschutzes ist zunächst zu fragen, ob das Tier im häuslichen Bereich untergebracht ist. Der häusliche Bereich greift weiter als nur die Wohnung. Ein Tier wird im häuslichen Bereich gehalten, wenn es sich in räumlicher Nähe zum Schuldner befindet. Insoweit steht eine Unterbringung in einem Garten, einem Stall, einer Voliere, einem Wohnwagen oder einem Zelt (LG Berlin DGVZ 1991, 91; Musielak-Becker, ZPO, 7. Aufl., § 811c Rn 2; a.A. AG Bad Segeberg DGVZ) oder auch einer Zweitwohnung der Annahme des häuslichen Bereiches nicht entgegen, wohl aber die Unterbringung in Geschäftsräumen (Musielak-Becker, ZPO, 7. Aufl., § 811c Rn 2). Es werden also nicht nur Haustiere im herkömmlichen Sinne geschützt, sondern auch andere Tiere, die in die häusliche Lebenssphäre des Schuldners aufgenommen sind und über die der Schuldner die Entscheidungsgewalt ausübt.
Kurzfristige Abwesenheit schadet nicht
Wird das Tier vorübergehend anderweitig untergebracht, steht dies der Zuordnung zum häuslichen Bereich nicht entgegen
Beispiele
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mehrtägige tierärztliche Behandlung in einer Tierklinik, |
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mehrtägige Unterbringung in einer Tier- oder Dressurschule, |
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Quarantäne vor einem Auslandsaufenthalt, |
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Ausleihe für einen Zuchtzweck, |
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Unterbringung in einer Tierpension während der Urlaubszeit. |
Hier können Sie zugreifen
Tiere des Schuldners, die außerhalb des beschriebenen häuslichen Bereiches leben, sind grundsätzlich nach den allgemeinen Bestimmungen pfändbar. Hier muss allerdings der Pfändungsschutz insbesondere nach § 811 Nr. 3 und 4 ZPO beachtet werden. Auch wenn das Tier Erwerbszwecken dient, greift der Pfändungsschutz nach § 811c ZPO nicht.
III. Der Praxistipp
Auch wenn das Tier nur einem Nebenerwerb dient, scheidet der Pfändungsschutz nach § 811c Abs. 1 ZPO aus. Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn der Nebenerwerb gänzlich in den Hintergrund tritt, etwa ein Tier nur einmalig gegen ein geringes Entgelt als Zuchttier zur Verfügung gestellt wird (Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 811c Rn 1).
Unpfändbarkeit nicht bei besonderer Härte für den Gläubiger
§ 811c Abs. 2 ZPO erlaubt die Pfändung eines wertvollen Tieres im häuslichen Bereich selbst dann, wenn die Unpfändbarkeit für den Gläubiger eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Voraussetzung ist dabei, dass das Tier einen hohen Wert hat. Diesen kann man in Anknüpfung an die ursprüngliche Wertgrenze in § 811 Nr. 14 ZPO a.F. (500,00 DM) mit mindestens 250,00 bis 300,00 EUR ansetzen. In der Literatur wird allerdings ein wesentlich höherer Wert gefordert (MüKo-ZPO, Gruber, 3. Aufl., § 811c Rn 6; Zöller-Stöber, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 811c Rn 3). Hier werden insbesondere Reitpferde, Rassehunde und -katzen sowie seltene Tierarten, insbesondere auch Vögel und Fische zu zählen sein.
Hier muss abgewogen werden
Nach dem Gesetzeswortlaut sind die Interessen des Schuldners, des Gläubigers und auch die Belange des Tierschutzes gegeneinander und untereinander abzuwägen. Als nachhaltig zu berücksichtigender Belang wird auf Seiten des Gläubigers dessen eigene wirtschaftliche Situation zu betrachten sein. Je weniger seine eigene wirtschaftliche Existenz gesichert ist, umso stärker überwiegen seine Belange. Dann muss die Art der Schuld – etwa ein Anspruch aus unerlaubter Handlung – ebenso Berücksichtigung finden wie sonstige Vollstreckungs- und Verwertungsmöglichkeiten.
Der Schuldner wird den Belangen des Gläubigers regelmäßig nur seine emotionale Bindung an das Tier entgegenhalten können, die aber über die mit der Zwangsvollstreckung üblicherweise verbundene Härte nicht hinausgeht und damit weitgehend unberücksichtigt bleiben muss. Allerdings sind auch die Bindungen weiterer Familienangehöriger wie alte und kranke Menschen und Kinder zu beachten.
Die Belange des Tierschutzes
Wesentlich zu berücksichtigen sind aber die Belange des Tierschutzes, insbesondere die Fragen,
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welche Bindung das Tier an den Schuldner und dessen Familie hat, |
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welche besonderen Entfaltungsmöglichkeiten das Tier beim Schuldner hat, die nach einem Verkauf nicht mehr gegeben sind, |
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welches Alter das Tier hat (AG Paderborn DGVZ 1996, 44: keine Pfändung eines alten Tieres, welches bei Schuldner sein Gnadenbrot erhält), |
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welchen Gesundheitszustand das Tier hat, |
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welche Bedeutung das Tier für andere Tiere im häuslichen Bereich des Schuldners hat, |
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welche Verwertungsart in Betracht kommt ... |