Leitsatz
1. Wird ein Vollstreckungsantrag elektronisch gestellt und kann er elektronisch bis zum Gerichtsvollzieher weitergeleitet werden, sind Abschriften von Amts wegen und damit ohne Kostenansatz vom Gerichtsvollzieher herzustellen.
2. Die elektronische Übermittlung des Zustellungsauftrags nebst Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) auf Vermittlung der Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts an die GVV erfüllt bereits den Tatbestand der elektronischen Übermittlung an den Gerichtsvollzieher.
AG Düsseldorf, Beschl. v. 4.10.2023 – 660 M 703/23
1 Der Fall in aller Kürze
PfÜB: vom Antrag bis zum Erlass elektronisch
Die Gläubigerin beantragte mit dem elektronisch übermittelten Antrag den Erlass eines PfÜB mit Vermittlung der Zustellung durch die Geschäftsstelle. Der PfÜB wurde antragsgemäß elektronisch erlassen. Er wurde sodann wiederum elektronisch dem AG des Gerichtsvollziehers (GV) mit dem "Aktenzeichen des Empfängers: GVV" übermittelt.
Übermitllung an GV in Papierform
Der GV wiederum erhielt von der Gerichtsvollzieherverteilerstelle (kurz: GVV) den PfÜB einfach als Papierausdruck. Er fertigte sodann beglaubigte Abschriften für den Drittschuldner (die private C-Bank) und den Schuldner und stellte entsprechend konventionell in Papierform zu. Hierfür setzte er u.a. die nunmehr beanstandete Beglaubigungsgebühr bzw. Auslagen nach KV 700 GvKostG mit der im Tenor genannten Kostenrechnung an.
Revisor hält Beglaubigungskosten für unberechtigt
Der Vertreter der Landeskasse wendet sich mit seiner Erinnerung gegen den Ansatz von Beglaubigungsgebühren im Rahmen der Zustellung eines PfÜB. Er macht im Wesentlichen geltend, die Gebühr habe schon nicht in Ansatz gebracht werden dürfen, soweit es sich bei der Drittschuldnerin um einen zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr empfangsbereit verpflichteten Empfänger i.S.d. § 173 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO handeln sollte, denn insoweit sei zu unterstellen, dass eine elektronische Zustellung von der Gläubigerseite gewollt sei. Die GVV hätte den Antrag elektronisch an den GV übermitteln können. Es habe insgesamt eine falsche Sachbehandlung vorgelegen.
2 II. Die Entscheidung zusammengefasst
Tatsächlich Dokumentenpauschale statt Beglaubigungsgebühr
Der Ansatz der "Beglaubigungsgebühr" erfolgte zu Unrecht. Das Gericht geht davon aus, dass in Anwendung von Nr. 10a DB-GvKostG keine Beglaubigungsgebühr i.S.d. KV 102 GvKostG in Ansatz gebracht wurde (vgl. Toussaint/Uhl, GvKostG, KV 102 Rn 1–8; Kawell, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, KV GvKostG Nr. 100–102 Rn 19), sondern – so auch die weitere Begründung der Erinnerung – "nur" die Dokumentenpauschale nach KV 700 GvKostG.
Der somit nur nach GV 700 Nr. 1 lit. b GvKostG in Betracht kommende Kostenansatz erfolgte zu Unrecht. In Ansatz zubringen ist die Auslage nur
Zitat
"für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten: 1. Kopien und Ausdrucke, a) die auf Antrag angefertigt oder per Telefax übermittelt werden, b) die angefertigt werden, weil der Auftraggeber es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen …"
Kein Unterlassen der Übersendung von Mehrausfertigungen
Der Gläubiger hat keinen Antrag auf Ausdruck oder Fertigen von Kopien gestellt und er hat die Dokumente auch nicht per Telefax übermittelt. Er hat es aber auch nicht i.S.d. lit. b) unterlassen "die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen". Denn hierzu war er gem. § 193 Abs. 1 ZPO weder verpflichtet noch ist dies im Rahmen einer frei wählbaren Übermittlung elektronischer Dokumente praktisch erforderlich. Nur im Fall des § 193 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind die erforderlichen Abschriften einzureichen und kann der Gerichtsvollzieher fehlende Abschriften herstellen.
Elektronische Übermittlung führt zur amtsseitigen Fertigung von Abschriften
Aufgrund der vorrangigen Regelung des § 193 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 3 ZPO handelt es sich im Falle einer elektronischen Übermittlung bei der Fertigung der beglaubigten Ausdrucke um amtswegig zu erstellende Dokumente, für die nach richtiger Auffassung keine Kosten erhoben werden dürfen (so ausf. OLG Hamm v. 22.8.2023 – 25 W 192/23; LG Osnabrück v. 20.6.2023 – 3 T 240/23).
Das Gericht schließt sich der Argumentation des OLG Hamm an. Zutreffend verweist der Senat auf die Parallele zur Gesetzesbegründung zu § 133 ZPO i.V.m. KV 9000 GKG und dem expliziten Wunsch in der Beschlussempfehlung des Ausschusses zur (u.a.) Einfügung des § 193 Abs. 1 S. 3 ZPO, nämlich dem weiteren Ausbau des elektronischen justiziellen Rechtsverkehrs (BT-Drucks 19/31119, S. 4). Richtig wird daraus der Schluss gezogen, dass die Alternativen in § 193 Abs. 1 S. 1 ZPO dem Gläubiger zur Auswahl stehen, er mithin nicht verpflichtet ist, etwa selbst beglaubigte Abschriften in Papierform einzureichen, um Kosten zu sparen. Dabei wird zutreffend auch darauf hingewiesen, dass die erwünschte Beschleunigung – ein funktionsfähiges EGVP unterstellt – sich gerade durch die eröffnete Möglichkeit der elektronischen Übermittlung einstellt. Zutreffend ist daher auch der Umkehrschluss zu § 193 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO, wonach ...