Leitsatz
1. Gegen die Ablehnung einer Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch den Gerichtsvollzieher ist der Rechtsbehelf der Erinnerung gegeben.
2. Liegen trotz fehlenden Einwilligungsvorbehaltes hinreichende Anhaltspunkte vor, an der Geschäftsfähigkeit des Drittschuldners (Betreuter) zu zweifeln, kann der Gerichtsvollzieher die Zustellung an den Drittschuldner ablehnen.
LG Saarbrücken, Beschl. v. 6.9.2018 – 5 T 274/18
1 I. Der Fall
PfÜB wegen Betreuervergütung
Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG pfändete die Gläubigerin die Ansprüche der Schuldnerin auf Berufsbetreuervergütung unter anderem gegenüber dem Drittschuldner und überwies diese der Gläubigerin zur Einziehung. Für den Drittschuldner besteht eine Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt, Betreuerin ist die Schuldnerin.
GV verweigert Zustellung an den Betreuten
Mit Schreiben vom 4.6.2018 beauftragte die Gläubigerin den Gerichtsvollzieher mit der Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner und an dessen Betreuerin, die Schuldnerin, mit der Aufforderung nach § 840 ZPO. Der GV lehnte die Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner mit der Begründung ab, der Drittschuldner sei nicht in der Lage, das Wesen einer Zustellung zu verstehen.
Rechtsmittel des Gläubigers
Die Gläubigerin legte Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO ein und beantragte, den GV anzuweisen, den PfÜB an den Drittschuldner zuzustellen. Die Gläubigerin vertritt insoweit die Ansicht, der volljährige Drittschuldner sei unabhängig davon, dass eine gesetzliche Betreuung angeordnet sei, voll geschäfts- und prozessfähig. Aufgabe des GV sei ausschließlich, die Zustellung zu veranlassen, nicht jedoch, die rechtliche Wirksamkeit einer solchen zu beurteilen. Das AG wies die Erinnerung der Gläubigerin zurück. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin.
2 II. Die Entscheidung
LG sieht den GV im Recht
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 793 ZPO statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das AG die Erinnerung der Gläubigerin gegen die Weigerung des GV, den PfÜB dem Drittschuldner zuzustellen, zurückgewiesen.
Gläubiger hat das richtige Rechtsmittel gewählt
In formeller Hinsicht ist die Entscheidung des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das AG angenommen, dass der von der Gläubigerin eingelegte Rechtsbehelf der Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO und nicht der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG statthafter Rechtsbehelf ist.
Die Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner nach § 829 Abs. 2 ZPO erfolgt auf Betreiben der Parteien gemäß §§ 191 ff. ZPO. Erst durch die Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner ist die Pfändung als bewirkt anzusehen (§ 829 Abs. 3 ZPO). Sofern der GV es ablehnt, im Vollstreckungsverfahren eine Zustellung im Parteibetrieb vorzunehmen oder ordnungsgemäß auszuführen, ist die Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO der statthafte Rechtsbehelf (Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 192 Rn 11; MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl. 2016, § 766 Rn 8).
Unerheblich: GV als Zustellungs- oder Vollstreckungsorgan
Inhaltlich hat das Amtsgericht zu Recht die Erinnerung der Gläubigerin zurückgewiesen. Dahinstehen kann insoweit, ob der GV bei der Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner als Vollstreckungsorgan oder als reines Zustellungsorgan tätig geworden wäre und ob sich seine Prüfpflicht bei Tätigwerden als Vollstreckungsorgan auf die Prozessfähigkeit des Drittschuldners erstreckt hätte.
Denn in jedem Fall wurde der GV in seiner amtlichen Funktion als Organ der Rechtspflege mit der Zustellung des PfÜB betraut. Auch wenn ihm keine Prüfpflicht hinsichtlich der Geschäfts- bzw. Prozessfähigkeit des Drittschuldners obliegen würde, so kann dem GV als Organ der Rechtspflege gleichwohl nicht zugemutet werden, sehenden Auges eine gemäß § 170 Abs. 1 ZPO unzulässige Zustellung des PfÜB an einen geschäftsunfähigen und damit nicht prozessfähigen Drittschuldner auszuführen.
Geschäftsunfähigkeit ist gegeben
Zutreffend ist zwar, dass auch der unter Betreuung stehende Volljährige grundsätzlich voll geschäftsfähig bleibt, sofern – wie hier – die Betreuung nicht mit einem Einwilligungsvorbehalt verbunden ist. Nichtsdestotrotz können auch bei einem Betreuten, dessen Betreuung nicht mit einem Einwilligungsvorbehalt verbunden ist, im Einzelfall die Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB gegeben sein.
Konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall für Geschäftsunfähigkeit
Vorliegend ergaben sich für den GV hinreichende Anhaltspunkte, an der Geschäftsfähigkeit des Drittschuldners zu zweifeln. Nach Angaben des Gerichtsvollziehers machte der Drittschuldner, als er ihn zum Zwecke der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufsuchte, einen verwirrten Eindruck. Auf Fragen, wer seine Betreuerin sei, sei er verwundert gewesen und habe mitgeteilt, dass er gar keine Betreuerin habe. Dem Drittschuldner sei nicht bewusst gewesen, was ein GV sei, geschweige denn, was rechtlich eine Zustellun...