Leitsatz
§ 7a UVG untersagt – auch zum Schutz des Unterhaltspflichtigen – nicht lediglich die Vollstreckung, sondern bereits die gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs durch den Sozialleistungsträger und gilt für die Zeiträume, in denen die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind.
BGH, Beschl. v. 31.5.2023 – XII ZB 190/22
1 Der Fall
Rückforderung von Leistungen
Das antragstellende Land (Antragsteller) macht als Träger der Unterhaltsvorschusskasse gegen den Antragsgegner Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht geltend.
Der Antragsgegner ist der Vater einer im Juli 2013 geborenen Tochter, die bei ihrer Mutter lebt. Der Antragsteller begehrt für die Zeit ab Januar 2020 Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des Kindergelds. Der Antragsgegner bezog während des gesamten Unterhaltszeitraums ausschließlich Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.
Das AG hat den Antrag abgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers ist vom OLG zurückgewiesen worden. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde, mit welcher der Antragsteller den Unterhaltsanspruch weiterverfolgt.
2 II. Die Entscheidung
Streitig: Rechtsfolgen des § 7a UVG
Das OLG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag unbegründet ist, weil § 7a UVG der gerichtlichen Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs entgegensteht.
Nach § 7a UVG wird der nach § 7 UVG übergegangene Unterhaltsanspruch nicht verfolgt, solange der Elternteil, bei dem der Berechtigte nicht lebt, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezieht und über kein eigenes Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II verfügt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm liegen im vorliegenden Fall unzweifelhaft vor, sodass es allein darauf ankommt, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben.
Wirksamer Anspruchsübergang
§ 7a UVG schließt allerdings den Anspruchsübergang nicht aus, sondern setzt diesen vielmehr voraus. Damit wird gleichzeitig vorausgesetzt, dass ein Unterhaltsanspruch gegeben ist. Dieser kann auch bestehen, wenn der Unterhaltspflichtige aktuell kein Einkommen erzielt und seinerseits existenzsichernde Sozialleistungen bezieht, insbesondere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch SGB. Denn die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit setzt nur voraus, dass der Unterhaltpflichtige in der Lage ist, das zur Aufbringung des Unterhalts erforderliche Einkommen zu erzielen. Kommt der Unterhaltspflichtige seiner Erwerbsobliegenheit nicht nach, so ist er dennoch unterhaltsrechtlich leistungsfähig (vgl. Staudinger/Klinkhammer, BGB, 2022, § 1603 Rn 110 ff. m.w.N.). Dass der Unterhaltsanspruch im Unterschied zu anderen Tatbeständen des Anspruchsübergangs (§ 33 SGB II, § 94 SGB XII) auch in diesen Fällen auf den Sozialleistungsträger übergeht, entspricht der Rechtsprechung des Senats (BGH v. 27.9.2000 – XII ZR 174/98).
BGH entscheidet Streitfrage: Es gilt ein Titulierungsverbot
Das OLG ist mit Recht davon ausgegangen, dass § 7a UVG bereits die gerichtliche Geltendmachung durch den Träger der Unterhaltsvorschusskasse hindert.
Die Reichweite der Vorschrift ist allerdings umstritten. Nach einer Meinung beschränkt sich der Begriff auf die Zwangsvollstreckung (OLG Celle, 11.5.2023 – 21 WF 43/23; Schürmann, FamRZ 2017, 1380, 1383; BeckOK-Sozialrecht/Engel-Boland [Stand: 1.3.2023] § 7a UVG Rn 16 ff.; Birnstengel, JAmt 2017, 330, 332; Benner, NZFam 2022, 850 m.w.N.). Nach einer weiteren Ansicht umfasst der Begriff dagegen übereinstimmend mit dem OLG auch die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs (OLG Hamm, 2.2.2023 – 11 UF 46/22; VG Arnsberg, 29.3.2022 – 9 K 830/22; jurisPK-SGB/Buchheister [Stand: 15.4.2023] § 7a UVG Rn 18; nunmehr auch Schürmann, NZFam 2023, 469). Die letztgenannte Ansicht trifft zu.
Argument: Wortlaut
Bereits der Wortlaut der Vorschrift weist deutlich in diese Richtung. Denn das "Verfolgen" eines Anspruchs umfasst erheblich mehr als nur die Vollstreckung eines entsprechenden Titels. Vor allem gehört dazu auch die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs. Das OLG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Begriff in gleicher Weise auch in anderen Gesetzeszusammenhängen verwendet wird. So fasst § 204 Abs. 1 BGB verschiedene Formen der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, vor allem durch Erhebung einer Leistungsklage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), unter dem Begriff der Rechtsverfolgung zusammen. Auch in § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO beschreibt der Begriff der Rechtsverfolgung zweifelsfrei die gerichtliche Geltendmachung. Beziehen sich gesetzliche Regelungen hingegen (nur) auf die Zwangsvollstreckung, so wird dies, wie etwa in § 274 Abs. 2 BGB oder in § 120 Abs. 3 FamFG, jeweils ausdrücklich erwähnt.
Argument: gesetzliche Intention
Der somit durchweg in diesem weiten Sinn verwendete Begriff der Rechtsverfolgung entspricht ausweislich der Gesetzesmaterialen auch den Motiven der durch § 7a UVG erfolgten Neuregelung. Nach der Stellungnahme des Bundesrats vom 10.2.2017, die zur Aufnahme der Vorschrift in das Gesetz geführt hat, entfällt der R...