Verzögerten Erlass des PfÜB vermeiden
Zunächst stellt sich bei der Monierung durch den Rechtspfleger ein ganz praktisches Problem: Der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wird so nämlich verzögert. Ein anderer Gläubiger könnte „vorbeiziehen“ und damit den besseren Rang nach § 804 Abs. 3 ZPO erreichen. Der Vollstreckungserfolg würde so ganz oder teilweise vereitelt. Aus diesem Grunde sollte für Monierungen der vorliegenden Art beantragt werden, dass der Beschluss ohne die beanstandete Formulierung ergeht. So wird die Pfändung bewirkt und das Pfandrecht frühzeitig gesichert. Die Ergänzung wegen § 836 Abs. 3 ZPO kann noch später erfolgen.
Muster: Bitte um Erlass des Beschlusses ohne die beanstandete Formulierung
Soweit das Gericht annimmt, dass ein oder mehrere der gepfändeten Ansprüche nicht pfändbar sind oder dem Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sonstige Hindernisse entgegenstehen, wird gebeten, den Beschluss zunächst in der für zulässig erachteten Form zu erlassen, damit die Rechte des Gläubigers gewahrt werden.
Rechtsprechung nimmt Pflicht zur Herausgabe der Kontoauszüge an
Die Auffassungen der Rechtspfleger sind unzutreffend. Ihnen steht erhebliche Rechtsprechung entgegen, so z. B. die Entscheidungen des LG Verden (FoVo 2010, 138), des LG Stendal (Rpfleger 2009, 397), des LG Wuppertal (FoVo 2008, 62], des LG Landhut (FoVo 2009, 20 und 106) und des AG Dresden (FoVo 2009, 206). Wir hatten hierüber schon mehrfach berichtet (ausführlich Goebel, FoVo 2009, 29). Auch die Kommentarliteratur teilt diese Auffassung (Musielak/Becker, ZPO, 7. Aufl., § 836 Rn 7; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 836 Rn 13). Einzig das LG Stuttgart ist anderer Auffassung (FoVo 2008, 62; unter Berufung hierauf auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. 2010, § 836 Rn 7).
Haben die Rechtspfleger wirklich richtig gelesen?
Die Rechtspfleger, die Hinweise der eingangs geschilderten Art erteilen, haben offenbar weder die Entscheidung des BGH gelesen, noch die Gesetzesbegründung zur Reform der Kontopfändung durchgearbeitet. Dort steht nämlich etwas ganz anderes.
Der BGH im Wortlaut
In der Entscheidung des BGH v. 8.11.2005, XI ZR 90/05, wird lediglich die Herausgabepflicht des Drittschuldners, nicht aber die des Schuldners verneint. In der Entscheidung des BGH heißt es unter Rn 18 wörtlich:
Zitat
„Denn aus § 836 Abs. 3 ZPO ergibt sich, dass der Schuldner die primäre Auskunftsquelle für den Gläubiger sein soll, von dem Letzterer sich die erforderlichen Informationen und Urkunden – aufgrund der weiten Definition dieser Urkunden (BGH, Beschl. v. 14.2.2003 – IXa ZB 53/03, WM 2003, 625, 626) gegebenenfalls auch Kontoauszüge (Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 836 Rn 14 Fn 43; Musielak/Becker, ZPO, 4. Aufl., § 836 Rn 7) – beschaffen kann, falls ihm die Auskünfte, die er von dem Drittschuldner nach § 840 ZPO oder als Auskunft aufgrund des unselbstständigen Nebenanspruchs erhalten hat, nicht genügen.“
Es ist zwischen Drittschuldner und Schuldner zu differenzieren
Deutlicher kann nicht ausgedrückt werden, dass zwar nicht der Drittschuldner, sehr wohl aber der Schuldner die Kontoauszüge nach § 836 Abs. 3 ZPO herauszugeben hat. Aus dieser Formulierung ergibt sich zugleich, dass er auch die Bescheinigung nach § 850k Abs. 2, 5 ZPO n.F. herauszugeben hat. Sie benötigen diese ja, um überhaupt einen Antrag nach § 850k Abs. 4 ZPO n.F. i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO stellen zu können (vgl. auch Goebel, Kontopfändung unter veränderten Rahmenbedingungen, Rn 447).
Die Gesetzesbegründung im Wortlaut
Nicht anders sieht es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/7615, S. 20 li. Sp. zweiter Absatz) aus. Hier heißt es wiederum wörtlich zu § 850k Abs. 4 n.F. ZPO:
Zitat
„Die für seinen Antrag nötigen Informationen hat ihm der Schuldner zu geben (§ 836 Abs. 3). Die Informationspflicht des Schuldners umfasst insbesondere auch Angaben darüber, welche Freibeträge ihm auf dem Pfändungsschutzkonto gewährt werden.“
Aus diesen Ausführungen ergibt sich ohne jeden Zweifel, dass der Schuldner nicht nur die Kontoauszüge, sondern auch die ihm vom Arbeitgeber, von der Familienkasse, dem Sozialversicherungsträger oder einer geeigneten Person nach § 305 InsO erteilte Bescheinigung an den Gläubiger herauszugeben hat.
Die Aufnahme der Verpflichtung zur Herausgabe der Bescheinigung nach § 850k Abs. 2 und 5 ZPO n.F. hat auch eine ganz praktische Komponente. Es steht nämlich zu befürchten, dass der Schuldner die beschaffte Bescheinigung im Original an das Kreditinstitut weitergibt, wenn er nicht aus dem ihm zuzustellenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (§ 829 Abs. 2 ZPO) die Kenntnis davon erhält, dass er die Bescheinigung auch dem Schuldner zur Verfügung stellen muss.
Bezeichnungsrecht folgt Herausgabeanspruch
Die vom Schuldner herauszugebenden Urkunden sind im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss im Einzelnen zu bezeichnen. Eine besondere Herausgabeanordnung ist nicht erforderlich (BGH NJW-RR 2006, 1576; MünchKommZPO/Smid, 3. Aufl., § 836 Rn 14...