Leitsatz
Eine Nachzahlung von Pflegegeld auf einem P-Konto ist nicht pfändungsfrei. Der Pfändungsfreibetrag ist deshalb nicht anzupassen.
AG Lampertheim, Beschl. v. 8.9.2017 – 22 M 1708/16
1 I. Der Fall
Nachzahlung von Pflegegeld auf dem P-Konto
Das Konto des Schuldners bei der Drittschuldnerin wurde durch Pfändungs-und Überweisungsbeschluss gepfändet. Mit seinem Antrag bittet der Schuldner um Freigabe seines Pflegegeldes gem. § 850k Abs. 4 ZPO. Nach Angaben des Schuldners handelt es sich bei der Auszahlung des Pflegegeldes um eine rückwirkende Leistung für den Zeitraum 1.2 bis 30.6.2017. Er habe sich dieses bereits gem. Bescheinigung nach § 850k Abs. 5 ZPO bestätigen lassen; jedoch erkenne die Bank diese Bescheinigung nicht an.
2 II. Die Entscheidung
AG: kein Pfändungsschutz
Eine Bescheinigung gem. § 850k Abs. 5 ZPO kann nur dann erteilt werden, wenn es sich um eine tatsächliche Einzahlung i.S.d. § 850k Abs. 2 Nr. 2 ZPO handelt. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da regelmäßig dann nicht von einer Einzahlung auszugehen ist, wenn der auszuzahlende Betrag aus einzelnen Beträgen besteht, welche rückwirkend für Monate gezahlt werden, für welche keine Leistung erbracht wurde (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl.). Aus diesem Grund hat die Drittschuldnerin zu Recht die auf der Bescheinigung eingetragene Einmalzahlung nicht zur Auszahlung gebracht.
Das Gericht hat dem Schuldner mehrfach auferlegt, den für die Einmalzahlung ursächlichen Bewilligungsbescheid der Pflegekasse vorzulegen. Ein Nachweis der Zahlung liegt derzeit nur anhand des Kontoauszuges vor. Um jedoch vollumfänglich einen Überblick zu erhalten, sieht es das Gericht als notwendig an, den Bewilligungsbescheid als Nachweis in Augenschein zu nehmen. Trotz mehrfacher schriftlicher Aufforderung sowie der Aufforderung im persönlichen Gespräch mit der Unterzeichnerin hat der Schuldner bis zum heutigen Tag den gewünschten Bescheid nicht vorgelegt. Der Antrag war daher zurückzuweisen, da der Schuldner seiner ihm auferlegten Fürsorgepflicht nicht nachgekommen ist.
3 Der Praxistipp
Bankbescheinigung ist irrelevant
Die Entscheidung des Amtsgerichtes ist unzutreffend begründet. Es ist unerheblich, ob vorliegend eine Bankbescheinigung nach § 850k Abs. 5 ZPO hätte ausgestellt werden dürfen. Unerheblich ist auch, ob die tatsächlich ausgestellte Bankbescheinigung nach § 850k Abs. 5 ZPO durch die Bank hätte beachtet werden dürfen oder zu Recht nicht beachtet wurde.
Entscheidend ist: Die Bank hat die Bescheinigung nicht beachtet, so dass zu prüfen ist, ob der Pfändungsfreibetrag auf dem P-Konto nach § 850k Abs. 4 ZPO abweichend zu bestimmen war. Genau dies hat der Schuldner beantragt. Eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages ist danach angezeigt, wenn es sich bei dem freizustellenden Betrag um eine Geldleistung nach § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB I handelt, die dafür bestimmt ist, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen. Das Pflegegeld ist also unpfändbar und damit freizustellen (vgl. hierzu Pflüger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 54 SGB I, Rn 67; grundlegend schon Sauer, NJW 1996, 765).
Mangelnde Systematik der Prüfung
Die Entscheidung ist ein Beleg dafür, wie unsystematisch Entscheidungen in der Praxis des Vollstreckungsrechtes getroffen werden. Auch wenn dies im konkreten Fall zugunsten des Gläubigers und zulasten des Schuldners erfolgte, ist doch zu sehen, dass dies auch schnell umgekehrt erfolgen kann und aus falsch verstandenem "Mitleid" ein unberechtigter zusätzlicher Pfändungsfreibetrag eingeräumt wird. Der Gläubiger sollte die Anträge des Schuldners also jeweils selbstständig prüfen und entsprechend Stellung nehmen.
FoVo 10/2017, S. 199 - 200