Leitsatz
Die Restschuldbefreiung begründet keinen Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung hinsichtlich einer vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetragenen Zwangshypothek.
BGH, Beschl. v. 10.12.2020 – IX ZR 24/20
1 Der Fall
Am 20.3.2003 ließ die Beklagte im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens wegen offener Gewerbesteuerforderungen in Höhe von 50.122,27 EUR eine Zwangssicherungshypothek an einem Grundstück des Klägers eintragen. Mit Beschluss vom 13.6.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Am 10.6.2016 wurde dem Kläger die Restschuldbefreiung erteilt. Der Kläger verlangt nunmehr von der Beklagten die Erteilung einer Löschungsbewilligung hinsichtlich der Zwangssicherungshypothek, weil die durch sie gesicherte Forderung auf Dauer nicht mehr durchsetzbar sei. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Nach Ansicht des OLG Koblenz (vgl. MDR 2020, 631) hat sich die Restschuldbefreiung nicht auf die streitgegenständliche Zwangshypothek ausgewirkt. Diese bestehe vielmehr gemäß § 301 Abs. 2 S. 1 InsO fort. Mit seiner vom OLG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Erteilung der Löschungsbewilligung weiter.
2 II. Die Entscheidung
Anspruchsgrundlage für die Löschung: § 1169 BGB
Grundlage des Begehrens des Klägers ist § 1169 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Grundstückseigentümer vom Hypothekengläubiger verlangen, auf die Hypothek zu verzichten, wenn ihm eine Einrede zusteht, durch welche die Geltendmachung der Hypothek dauernd ausgeschlossen wird. Statt eines Verzichts gemäß § 1168 BGB, durch welchen die Hypothek auf den Eigentümer übergeht, kann der Eigentümer nach seiner Wahl auch die Bewilligung der Löschung der Hypothek gemäß § 875 Abs. 1 BGB verlangen, denn der Hypothekengläubiger wird hierdurch nicht zusätzlich belastet (RGZ 91, 218, 226). Mit der echtskraft eines stattgebenden Urteils gilt die Löschungsbewilligung als erteilt (§ 894 S. 1 ZPO).
Voraussetzungen sind aber nicht erfüllt
Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 1169 BGB sind jedoch nicht erfüllt. Die dem Kläger gewährte Restschuldbefreiung steht einer Geltendmachung der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetragenen Zwangshypothek nicht entgegen.
Voraussetzung einer Zwangshypothek ist ein vollstreckbarer Titel des Gläubigers gegen den Schuldner, der regelmäßig zugleich auch der Grundstückseigentümer ist. Die Sicherungshypothek wird auf Antrag des Gläubigers in das Grundbuch eingetragen. Die Eintragung wird auf dem vollstreckbaren Titel vermerkt. Mit der Eintragung entsteht die Hypothek (vgl. § 867 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO). Die Zwangshypothek ist eine Sicherungshypothek i.S.v. § 1184 BGB. Als solche ist sie streng akzessorisch. Das Recht des Vollstreckungsgläubigers aus der Hypothek bestimmt sich nur nach der Forderung. Erlischt die Forderung nach Eintragung der Hypothek, so erwirbt der Eigentümer die Hypothek als Eigentümerhypothek (§ 1163 Abs. 1 S. 2 BGB). Ebenso kann der Eigentümer in den Grenzen des § 767 Abs. 2, § 796 Abs. 2 ZPO die ihm als dem persönlichen Schuldner gegen die Forderung zustehenden Einreden gelten machen (§ 1137 Abs. 1 BGB). Das sind grundsätzlich alle Einreden, die den Schuldner berechtigen, die Befriedigung der Forderung auf Dauer oder für eine bestimmte Zeit zu verweigern, etwa die Einrede der Stundung, des Zurückbehaltungsrechts oder des nicht erfüllten Vertrages.
Sicherungszweck steht über der Restschuldbefreiung
Es gibt jedoch auch Einreden und Einwendungen gegen die gesicherte Forderung, die einer Inanspruchnahme der Hypothek gerade nicht entgegenstehen. In diesen Fällen soll die Sicherung als solche zum Tragen kommen, die Hypothek den Ausfall der Forderung also gerade kompensieren. So kann sich der Eigentümer nach dem Tod des Forderungsschuldners nicht wie dessen Erben auf die beschränkte Erbenhaftung berufen (§ 1137 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Einrede der Verjährung steht ihm ebenfalls nicht zu (§ 216 Abs. 1 BGB). Die Herabsetzung der Forderung durch einen Zwangsvergleich (§ 193 S. 2 KO) oder einen Vergleich (§ 82 Abs. 2 VerglO) nach altem Recht konnte der Eigentümer ebenso wenig geltend machen. Im Insolvenzverfahren berechtigt die Hypothek nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung (§ 49 InsO), obwohl die durch die Hypothek gesicherte persönliche Forderung nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden kann (§ 87 InsO) und eine Befriedigung im Wege der Einzelzwangsvollstreckung nicht möglich ist (§ 89 InsO). In allen genannten Fällen hatte oder hat der Eigentümer die Zwangsvollstreckung aus der Hypothek in das belastete Grundstück zu dulden, ohne sich auf die mangelnde Durchsetzbarkeit der gesicherten Forderung berufen zu können.
Restschuldbefreiung führt nur zur unvollkommenen Verbindlichkeit
Die Restschuldbefreiung dient dazu, den Schuldner von seinen im Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht befriedigten Verbindlichkeiten zu befreien (§ 1 S. 2, § 286 InsO). Sie wirkt gegen alle Insolve...