Einführung
Der BGH (10.8.2022 – VII ZB 5/22) hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit gleich zwei interessanten Fragen des Vollstreckungsrechtes befasst:
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Setzt sich der Pfändungsschutz für eine soziale Leistung an der Quelle an dem mit der Leistung beschafften Gegenstand fort? |
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Welche Voraussetzungen bestehen für den erst am 1.1.2022 eingeführten Pfändungsschutz nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ZPO? |
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Hinweis
Der Fall des BGH betraf eigentlich einen Sachverhalt vor dem 1.1.2022. Maßstab für die Überprüfung einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung im Vollstreckungsrecht ist allerdings der Zeitpunkt der Beschwerde oder Rechtsbeschwerde. Zu berücksichtigen ist daher auch ein nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenes neues Gesetz, sofern es nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfasst (vgl. BGH DGVZ 2017, 174; BGH NJW 2005, 1508). Das ist hier der Fall. Das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (BT-Drucks 19/27636; BGBl I 2021, S. 850) enthält keine Übergangsregelung und ist deshalb – auch nach Ansicht des BGH – auf nicht abgeschlossene Pfändungsmaßnahmen wie im Streitfall anwendbar.
I. Der Fall des BGH
Pfändung des Pkw beim betreuten Schuldner
Im Fall des BGH betrieb der Gläubiger gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. Der unter Betreuung stehende Schuldner leidet an einer psychischen Erkrankung in Form einer paranoiden Schizophrenie und an Epilepsie. Aufgrund der beauftragten Sachpfändung pfändete die Gerichtsvollzieherin (GV) den Pkw des Schuldners.
Schuldner reklamiert Pfändungsschutz für sich
Hiergegen wandte sich der Schuldner mit der Erinnerung und machte geltend,
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das gepfändete Fahrzeug sei von ihm überwiegend mit Mitteln aus dem Fonds "Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990" erworben worden. Da Ansprüche gegen den Fonds unpfändbar seien, sei auch das Fahrzeug selbst der Pfändung entzogen. |
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dass sich die Unpfändbarkeit des Pkw außerdem daraus ergebe, dass er auf das Fahrzeug angewiesen sei, um von seinem Wohnort aus regelmäßig Arzttermine in einem anderen Ort wahrnehmen zu können. Insbesondere in akuten Phasen seiner Erkrankung könne er keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, da er sich dann von anderen Menschen bedroht fühle und ohne Anlass aggressiv reagiere. Schließlich sei er auch nicht in der Lage, die Fahrtkosten für den öffentlichen Personennahverkehr aufzubringen. |
Schuldner bleibt in den Instanzen erfolglos
Das AG hat die Erinnerung des Schuldners zurückgewiesen und nur die Verwertung des Pkw bis zur Rechtskraft der Entscheidung ausgesetzt. Hiergegen hat der Schuldner sofortige Beschwerde erhoben, welche das LG unter Aufrechterhaltung der Anordnung zur Verwertungsaussetzung bis zur Rechtskraft der Entscheidung zurückgewiesen hat. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte der Schuldner sein Begehren weiter.
II. BGH prüft den Pfändungsschutz
Kein Pfändungsschutz wegen der Herkunft der Mittel aus gemeinnützigem Fonds
Der BGH hat die erste Frage zugunsten der Gläubiger entschieden: Der Pkw unterliege nicht deshalb einem Pfändungsverbot, weil er nach dem Vorbringen des Schuldners überwiegend mit Mitteln aus dem Fonds "Heimerziehung in der DDR" erworben worden ist.
Im Ausgangspunkt lässt der BGH zunächst einmal zwei wichtige Punkte offen, die mithin nicht als entschieden gelten können:
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Es könne dahinstehen, ob ein Anspruch gegen den Fonds "Heimerziehung in der DDR", welcher das Ziel hat, ehemaligen Heimkindern, denen Unrecht und Leid während ihrer Heimunterbringung in der ehemaligen DDR zugefügt wurde, finanzielle Hilfen zu gewähren, nach § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB unpfändbar sei, weil die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen könnte |
Hinweis
Dies hatte der BGH (NJW-RR 2014, 1009) allerdings für den Anspruch auf Entschädigung für Opfer sexuellen Missbrauchs aufgrund des Beschlusses der Deutschen Bischofskonferenz vom 2.3.2011 angenommen. Dieser könne jedenfalls nicht unmittelbar gepfändet werden.
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Des Weiteren könne offenbleiben, ob sich die Unpfändbarkeit eines entsprechenden Anspruchs ohne Weiteres an dem zu dessen Erfüllung Geleisteten fortsetzt oder ob Unpfändbarkeit insoweit nur dann besteht, wenn sie für das Geleistete anderweitig angeordnet ist. |
Es gibt keinen "fortgesetzten" Pfändungsschutz
Eine etwaige Unpfändbarkeit des Anspruchs gegen den Fonds "Heimerziehung in der DDR" setzt sich nach dem BGH jedenfalls nicht an dem Pkw fort. Nach dem Sachverhalt sei es so, dass der Fonds nicht etwa den Pkw als Leistung erbracht habe. Vielmehr habe der Schuldner eine Geldzuwendung erhalten, die er dann nur (teilweise) für den Kauf eines Pkw eingesetzt habe. Der Kauf selbst sei völlig unabhängig davon mit einem Händler als Drittem abgewickelt worden. Besondere Vorschriften, welche zur Unpfändbarkeit des Pkw gerade wegen der Unpfändbarkeit eines Anspruchs gegen den Fonds "Heimerziehung in der D...