Beispiel
Nach mehreren Zahlungsaufforderungen nimmt der Schuldner mit Ihnen Kontakt auf und macht geltend, dass weitere Maßnahmen gänzlich zwecklos seien. Er beziehe Bürgergeld und bei ihm sei ohnehin nichts pfändbar. Zwar arbeite er immer einmal wieder, beziehe aber auch in diesen Fällen nur ein Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze. Oder der Schuldner teilt mit, dass er keine hinreichende Ausbildung habe und deshalb immer nur Jobs bekomme, die unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegen. Ihm sei klar, dass man "ihm nichts könne". So mancher Gläubiger, der anderes versucht habe, habe nur viel Geld ausgegeben. Er habe schon mehrfach die Vermögensauskunft abgegeben.
Vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung
Bekundet der Schuldner, dass sein Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze liegt, sollte das weitere Gespräch darauf ausgerichtet werden, ob dies bereits dauerhaft der Fall ist oder einer kurzfristigen Entwicklung geschuldet ist. Verfügte Schuldner bereits dauerhaft über ein niedriges Einkommen, muss geprüft werden, ob er zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der der einzuziehenden Forderung zugrunde liegenden Leistung überhaupt in der Lage war, die damit begründeten Verpflichtungen zu erfüllen. Dies scheidet aus, wenn der Schuldner aufgrund seines Einkommens nicht in der Lage war, alle begründeten Verbindlichkeiten zum Fälligkeitszeitpunkt zu bedienen. Es muss also festgestellt werden, über welches tatsächliche Nettoeinkommen der Schuldner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und damit perspektivisch zum Erfüllungszeitpunkt verfügt hat und welche weiteren Gläubiger mit welchen Forderungen vorhanden waren/sind.
Hinweis
Nur wer fragt, hat die Chance, Antworten zu erhalten! Dass nicht jeder Schuldner auf entsprechende Nachfrage antworten wird, sollte den Gläubiger bzw. seinem Vertreter nicht entmutigen; jeder einzelne Fall, in dem der Nachweis gelingt, hilft.
Viel häufiger als man denkt: Eingehungsbetrug
War danach absehbar, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Fälligkeit der begründeten Verbindlichkeit zu deren Ausgleich nicht in der Lage war und ihm dies zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewusst war, liegt ein sogenannter Eingehungsbetrug nach § 263 StGB vor, der den Schuldner prinzipiell zum Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB verpflichtet. Da der Zahlungsanspruch bereits vertraglich begründet ist, bedarf es lediglich der Feststellung, dass die begründete Zahlungsforderung (auch) aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammt.
Hinweis
Einfacher wird der Nachweis selbstverständlich, wenn der Schuldner in engem zeitlichem Zusammenhang zur begründeten Verbindlichkeit gar die Vermögensauskunft abgegeben hat und sich hieraus kein zugriffsfähiges Vermögen ergibt.
Andere Straftatbestände in den Blick nehmen
Selbstverständlich dürfen andere Straftatbestände nicht vergessen werden. So kommen der Computerbetrug nach § 263a StGB, besonders häufig das Erschleichen von Leistungen i.S.d. § 265a StGB, insbesondere durch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne gültigen Fahrschein, der Kreditbetrug nach § 265b StGB, aber auch die Insolvenzstraftaten nach §§ 283 ff. StGB in Betracht. Für die Praxis ist wichtig, dass auf solche Besonderheiten des Einzelfalles geachtet wird.
Von einem abweichenden Pfändungsschutz profitieren
Kann festgestellt werden, dass die Zahlungsforderung (auch) aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammt, so kann der Schuldner bei einer Zwangsvollstreckung die Pfändungsfreigrenze nach § 850c ZPO nicht für sich in Anspruch nehmen. Vielmehr ist der Pfändungsfreibetrag nach § 850f Abs. 2 ZPO auf seinen notwendigen Unterhalt zuzüglich der zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten notwendigen Mittel beschränkt. Den notwendigen Unterhalt hat der BGH mit dem individuellen Sozialhilfeniveau beschrieben (BGH FamRZ 2003, 1466; BGH NJW-RR 2004, 506; BGH FamRZ 2010, 1798). Zu belassen ist ihm also das, was er als Bürgergeldempfänger beanspruchen dürfte. Die Privilegierung umfasst nach der Rechtsprechung des BGH auch die Verzugszinsen, die Prozesskosten und die Kosten der Zwangsvollstreckung (BGH FoVo 2011, 134 = MDR 2011, 690 entgegen der früher h.A. in Rechtsprechung und Literatur).
Hinweis
Die Bevorzugung des Gläubigers, dessen Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammt, beschränkt sich aber nicht auf die Einzelzwangsvollstreckung. Darüber hinaus nimmt eine solche Forderung auch nicht an der Restschuldbefreiung teil, § 302 InsO, wenn sie denn in diesem Verfahren als solche angemeldet wurde.
Leserservice
Kennen auch Sie immer wiederkehrende Ausflüchte des Schuldners? Vielleicht sogar Strategien, solchen Ausflüchten zu begegnen? Teilen Sie uns dies mit. Unsere Autoren bereiten den Sachverhalt dann gerne juristisch auf und lassen alle Leser daran teilhaben.
Autor: VRiOLG Frank-Michael Goebel
FoVo 10/2024, S. 181 - 186