Leitsatz
1. Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht des Grundbuchs i.S.v. § 12 Abs. 1 GBO liegt nicht nur bei einem rechtlichen Interesse des Antragstellers vor, das sich auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen kann, sondern auch bei einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse, wenn die Kenntnis vom Bestand für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für sein künftiges Handeln erheblich erscheint und reine Neugier oder die Verfolgung unbefugter Zwecke ausgeschlossen ist.
2. Dies gilt auch für die Kenntniserlangung von einem Kaufpreis durch erweiterte Einsicht in die Akten gemäß § 12 Abs. 3 Grundbuchordnung.
3. Hat der Antragsteller einen Zahlungsanspruch gegen den früheren Miteigentümer konkret dargelegt und durch Vorlage des zugrunde liegenden Vertrages belegt, hat er ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch und an der Erteilung einer Ablichtung des mit dem neuen Eigentümer abgeschlossenen Kaufvertrages.
OLG Oldenburg, 30.9.2013 – 12 W 261/13
1 I. Der Fall
Grundbucheinsicht wegen konkreter Ansprüche
Der Antragsteller war früherer Miteigentümer des zuletzt im Eigentum des Antragsgegners stehenden Grundstückes. Zwischen den Parteien war vereinbart, dass dem Antragsteller 1/3 des Verkehrswertes des Grundbesitzes zusteht, wenn ein zugunsten der gemeinsamen Mutter eingetragenes Nießbrauchsrecht erlischt. Der Antragsgegner hat den Grundbesitz veräußert. Der Antragsteller möchte nunmehr Einsicht in das Grundbuch nehmen, um festzustellen, ob das Nießbrauchsrecht erloschenen ist und zu welchem Verkaufspreis der Grundbesitz veräußert wurde. Dies hat ihm das Grundbuchamt verwehrt.
2 II. Die Entscheidung
Einfaches wirtschaftliches Interesse begründet Grundbucheinsicht
Nach § 12 Abs. 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuches jedem gestattet, wenn er ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein solches berechtigtes Interesse ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamtes ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann. Dabei genügt nicht jedes beliebige Interesse; vielmehr muss die Verfolgung unbefugter Zwecke oder reiner Neugier ausgeschlossen werden und die Kenntnis vom Grundbuch für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für sein künftiges Handeln erheblich erscheinen.
Besonderes Interesse für Einsicht in die Grundbuchakten
Da die Information über einen vereinbarten Kaufpreis nicht zu dem Grundbuchinhalt gehört, auf dessen Publizität § 12 Abs. 1 GBO zielt, ist bei der Einsicht in die Grundbuchakte hier jedoch – mit Rücksicht auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Kaufvertragsparteien – eine besonders sorgfältige und strenge Prüfung des berechtigten Interesses erforderlich. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht betroffenen eingetragenen Berechtigten vor der Gewährung der Einsicht nicht angehört werden und ihnen von der Rechtsprechung auch kein Beschwerderecht gegen die Gewährung der Einsicht zugebilligt wird
Eingesandt von unserem Leser RA Dr. Clausnitzer, LL.M., Freiburg
3 III. Der Praxistipp
Grundbucheinsicht ist ein wichtiges Informationsinstrument
Die Einsichtnahme in das Grundbuch ist ein bei der Forderungsbeitreibung nicht zu vernachlässigendes Informationsrecht. Das zeigt nicht nur der vorliegende Fall des OLG Oldenburg. Kommt ein Schuldner in die Krise, liegt es nahe, dass er sich um den Bestand seines bisherigen Grundbesitzers sorgt. Er wird deshalb bemüht sein, diesen auf eine ihm nahestehende Person zu übertragen. Dies geschieht nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass dem Schuldner so meist die weitere Nutzung des Gegenstandes vermittelt wird, so dass sein Vermögen zwar rechtlich, nicht aber tatsächlich tangiert wird. Gleichwohl wird dem Gläubiger auf den ersten Blick der Vermögensgegenstand entzogen.
Die Suche nach der nahestehenden Person
Die vorstehend geschilderte Situation zeigt, dass der Gläubiger sich bei der Ermittlung von Aufenthalt und Vermögen des Schuldners nicht allein auf den Schuldner konzentrieren darf. Vielmehr muss die Suche auf nahestehende Personen ausgedehnt werden. Dabei liegt die Einsichtnahme in das Grundbuch bezogen auf die von dem Schuldner oder einer ihm nahestehenden Person bewohnten Grundstücke besonders nahe. Für den Gläubiger ist es insoweit problematisch, dass ihm gegenüber der nahestehenden Person keine Forderung zusteht und dementsprechend auch kein Vollstreckungstitel gegen sie vorliegt. Die Entscheidung des OLG Oldenburg zeigt, dass der Gläubiger deshalb aber von einer Einsicht nicht abgeschnitten ist.
Die entscheidende Frage: Ansprüche gegen heutigen Eigentümer?
Die entscheidende und zu beantwortende Frage ist, ob dem Gläubiger gegen die dem Schuldner nahestehende Person seinerseits Ansprüche zustehen können, die ...