Leitsatz
Der Nachweis der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes als Voraussetzung der Ersatzzwangshaft setzt nicht notwendig die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung voraus.
VG Gießen, 21.5.2012 – 6 N 924/12.GI
1 I. Die Entscheidung
Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung
Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 HSOG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag der Ordnungs- oder Polizeibehörde Ersatzzwangshaft anordnen, wenn ein Zwangsgeld uneinbringlich ist und der Pflichtige bei der Androhung des Zwangsgeldes auf die Möglichkeit der Anordnung der Ersatzzwangshaft hingewiesen worden ist. Nach Satz 2 dieser Bestimmung beträgt die Ersatzzwangshaft mindestens einen Tag und höchstens zwei Wochen.
Herausgabe des Führerscheins
Vorliegend hat der Vollstreckungsgläubiger gegen den Vollstreckungsschuldner mit bestandskräftigem Bescheid vom 15.6.2011 ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR festgesetzt, weil dieser der aus dem ebenfalls bestandskräftigen Bescheid des Landrates des Vollstreckungsgläubigers vom 8.4.2011 folgenden Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib seines Führerscheins nicht nachgekommen ist. Die Verhängung dieses Zwangsgeldes war zuvor in dem bestandskräftigen Bescheid des Landrates des Vollstreckungsgläubigers – in dem schon ein Zwangsgeld in Höhe von 50,00 EUR festgesetzt worden war – unter Fristsetzung für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung angedroht worden. Die Androhung enthielt zugleich den Hinweis, dass nach § 51 Abs. 1 HSOG Ersatzzwangshaft angeordnet werden kann, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich ist.
Sach- und Forderungspfändung fruchtlos
Nach Aktenlage ist hier auch das fällige Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR uneinbringlich. Ausweislich der Mitteilung der Kreiskasse des Vollstreckungsgläubigers vom 24.2.2012 ist ein bei dem Vollstreckungsschuldner am 21.2.2012 durchgeführter Pfändungsversuch fruchtlos verlaufen. Auch ist der Vollstreckungsschuldner danach zurzeit arbeitslos, bezieht ALG II und sind sonstige Forderungen nicht zu ermitteln.
Vermögensauskunft muss nicht eingeholt werden
Ferner setzt der Nachweis der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes nicht die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung des Pflichtigen gemäß § 27 HessVwVG bezüglich seines Vermögens voraus (siehe: Meixner/Fredrich, HSOG, 10. Aufl. 2005, § 51 Rn 1; OVG NRW NVwZ-RR 1999, 802 und DÖV 1997, 511; Bayer. VGH NVwZ-RR 1997, 69; a.A.: Hornmann, HSOG, 2. Aufl. 2008, § 51 Rn 5; VG Frankfurt NVwZ 1994, 725). Weder der Wortlaut noch der Sinn des § 51 HSOG verlangt den Nachweis der Uneinbringlichkeit in einer bestimmten Form.
Angemessenheitsprüfung ist erforderlich
Schließlich steht die Anordnung der Ersatzzwangshaft für die Dauer von drei Tagen in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck der Beseitigung des durch die Führerscheinurkunde begründeten Scheins, der Vollstreckungsschuldner sei in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt, Kraftfahrzeuge zu führen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Vollstreckungsschuldner nach der Aktenlage u.a. wegen wiederholten Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist und auch jegliche Aufforderungen durch den Vollstreckungsgläubiger und das erkennende Gericht unbeantwortet gelassen hat. Schließlich kann der Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung der Ersatzzwangshaft jederzeit abwenden, indem er dem Vollstreckungsgläubiger entweder seinen Führerschein zur Anbringung eines Aberkennungsvermerks gemäß § 47 Abs. 2 FeV herausgibt oder eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib des Führerscheins abgibt.
2 II. Der Praxistipp
Entscheidung auf die Regelungen in der ZPO übertragbar
Die Entscheidung des VG Gießen ist nicht nur in der Verwaltungsvollstreckung von Interesse, sondern kann auch auf die Zwangsvollstreckung nach der ZPO übertragen werden, wo sich vergleichbare Regelungen finden, d.h. die Verhängung von Ersatzzwangshaft von der mangelnden Beitreibbarkeit des primär verhängten Zwangsgeldes abhängt.
So sieht § 888 ZPO bei der Vollstreckung unvertretbarer Handlungen zunächst die Verhängung eines Zwangsgeldes vor. Kann dies nicht beigetrieben werden, kann Ersatzzwangshaft verhängt werden. Nichts anderes ergibt sich bei der Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen nach § 890 ZPO, auch wenn dort von Ordnungsgeld und Ordnungshaft gesprochen wird.
Vorteile nutzen
Dem Gläubiger wird damit die Durchsetzung entsprechender Ansprüche erleichtert. Muss nach der Ausschöpfung der Möglichkeiten der Sach- und Forderungspfändung nicht auch noch eine Vermögensauskunft eingeholt werden, beschleunigt dies die zwangsweise Einwirkung auf den Schuldner zur Vornahme der unvertretbaren Handlung bzw. der Unterlassung einer Handlung oder deren Duldung. Zugleich verringert sich das Kostenrisiko des Gläubigers, da er im Hinblick auf alle Maßnahmen vorleistungspflichtig ist, ohne sicher sein zu können, seinen Einsatz nach § 788 ZPO erstattet zu bekommen.
Allerdings kann der Gläubiger auch anders agieren, nachdem die Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers neu gestaltet wurden. So erla...