Leitsatz
Ein Pfändungsschutzkonto wird im Fall der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Kontoinhabers nicht von der Wirkung der §§ 115, 116 InsO erfasst und erlischt nicht.
LG Verden, 19.9.2013 – 4 S 3/13
1 I. Der Fall
Streit um den Fortbestand des P-Kontos
Der Kläger führte bei der Beklagten ein Girokonto unter der Nummer … als Pfändungsschutzkonto (P-Konto) im Sinne des § 850 k ZPO. Das AG hat das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Die Beklagte beabsichtigt, das Pfändungsschutzkonto nicht weiter zu führen, weil die Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien gemäß §§ 115, 116 InsO erloschen seien.
Das AG hat der Klage auf Feststellung des Fortbestehens des P-Kontos stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
2 II. Die Entscheidung
P-Konto hat Bestand
Zu Recht hat das AG die Feststellung getroffen, dass das bei der Beklagten bestehende P-Konto des Klägers durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erloschen ist. Der Kläger hat einen Anspruch auf Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen mit der Beklagten hinsichtlich des dort geführten P-Kontos. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung besteht, weil der Kläger nur so die Fortsetzung des P-Kontos gegenüber der Beklagten erreichen kann.
Zwischen P-Konto und Girokonto ist zu unterscheiden
Im Falle einer Insolvenzeröffnung wird ein Pfändungsschutzkonto von der Wirkung der §§ 115, 116 InsO nicht in der gleichen Weise erfasst wie ein normales Girokonto. Durch die Insolvenz verliert das P-Konto nicht seine Funktion, es bleibt vielmehr in seinem Bestand unberührt mit der Folge, dass der Kläger weiterhin über dieses Konto verfügen kann. Die §§ 115, 116 InsO sind im Kontext mit § 36 Abs. 1 InsO sowie seinem Verweis auf § 850k ZPO zu betrachten. In diesem Zusammenhang ist der Bestand eines P-Kontos notwendige Voraussetzung eines vom Gesetzgeber mit dieser Regelung gewünschten Schuldnerschutzes. Nur so ist der Insolvenzschuldner in der Lage, den vom Gesetzgeber gewünschten Pfändungsschutz zu nutzen.
Defizit in der gesetzlichen Regelung korrigieren
Zwar fehlt es an einer konkreten gesetzlichen Regelung, gleichwohl kann die vom Gesetzgeber bei Schaffung des P-Kontos im Insolvenzverfahren zutage getretene Intention vernünftigerweise nur auch der Erhalt des Girokontos des Schuldners im Insolvenzverfahren gewesen sein. Im Ergebnis würde der Verlust des P-Kontos mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Schuldner von jeglicher Möglichkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ausschließen. Dieser jedoch ist für Geschäfte des täglichen Lebens, Zahlung von Miete, Erhalt von Arbeitseinkommen oder Sozialleistungen zur Existenzsicherung unabdingbar.
Dass der Gesetzgeber mit Änderung des P-Kontos im Insolvenzverfahren dieses in Kauf genommen haben sollte, hält die Kammer für ausgeschlossen. Das Gegenteil ergibt sich vielmehr aus der Begründung des Gesetzentwurfs. So heißt es in der BT-Drucksache 16/7615 auf S. 15 unter e): "Mit dem ausdrücklichen Verweis auf § 850 K … ZPO in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO ist sichergestellt, dass der neue Kontopfändungsschutz auch im Insolvenzverfahren Anwendung findet." Somit war der Schutz des § 850 K ZPO auch in der Insolvenz ausdrücklich gewollt.
Manche Banken sind besonders verpflichtet
Hinzu kommt, dass die Beklagte gem. § 4 des Nds. Sparkassengesetzes (NSpG) als Sparkassenunternehmen die "angemessene und ausreichende Versorgung aller Bevölkerungskreise und insbesondere des Mittelstandes mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen in der Fläche" sicherzustellen hat. Das bedeutet, dass ihre Pflichten bei der "Versorgung aller Bevölkerungskreise" weiter gehen als bei einer privatrechtlich organisierten Bank (vgl. auch LG Verden – 4 S 49/12). Hierzu gehört auch die Eröffnung der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch die Führung von Girokonten. Deshalb hat die Berufungsklägerin unabhängig davon, dass es sich bei der Führung eines P-Kontos um die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht handelt (OLG Düsseldorf, 16.3.2013 – I-6 U 114/11) angesichts des den Sparkassen auferlegten Kontrahierungszwanges das P-Konto des Klägers gem. § 242 BGB fortzusetzen, weil sie verpflichtet wäre, diese Geschäftsbeziehungen mit dem Berufungsbeklagten umgehend neu zu begründen.
3 III. Der Praxistipp
Kaum lösbares Problem
Dogmatisch lässt sich die Situation nicht ordentlich auflösen. Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 115, 116 InsO sind eigentlich eindeutig und sprechen für eine Auflösung des P-Kontos. Eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter kommt rechtlich eigentlich nicht in Betracht, weil er ein mit der Eröffnung aufgelöstes Konto nicht (mehr) freigeben kann, auch wenn dieser Weg im Sinne einer stillen Vereinbarung regelmäßig beschritten wird.
Pragmatische Lösung des LG
Die Lösung des LG entspricht den praktischen Bedürfnissen, wirft aber ihrerseits Probleme auf. Wird das P-Konto aufrechterhalten und sodann vom Insolvenzverwalter freigegeben, hat auch eine darauf liegende Pfändung Bestand und lebt nach dem Ende des Vollstreckungsverbotes, d.h...