Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 45 WEG, § 48 Abs. 2 WEG
Kommentar
Der Bundesgerichtshof hat entschieden:
1. Die sofortige weitere Beschwerde (Rechtsbeschwerde) ist in Wohnungseigentumssachen ungeachtet des § 45 Abs. 1 WEG (in Neufassung = geändert durch das Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17. 12. 1990 - BGB I S. 2847) zulässig, sofern sie sich dagegen richtet, dass die sofortige Beschwerde durch das LG als unzulässig verworfen wurde. Insoweit muss nicht der Wert des Gegenstandes der weiteren Beschwerde DM 1.200,- [derzeit 1.500,-] übersteigen.
Jedes andere Ergebnis widerspräche einem allgemeinen Grundsatz des Verfahrensrechts der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit, wonach ein weiteres Rechtsmittel immer dann ohne Rücksicht auf den Beschwerdewert zulässig sei, wenn das erste Rechtsmittel (Berufung oder Beschwerde) als unzulässig verworfen worden sei (vgl. §§ 547, 568 Abs. 2 S. 2 ZPO, § 27 FFG; BayObLGZ 1991, 141, 142).
Auch im wohnungseigentumsgerichtlichen Verfahren müsse sichergestellt sein, dass sich das Erstbeschwerdegericht nicht unberechtigt einer Sachprüfung entziehen könne. Dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hätte, sei nicht erkennbar; vielmehr spreche der mit der Novellierung des § 45 Abs. 1 WEG verfolgte Zweck, die Obergerichte von der Befassung mit Bagatellfällen freizuhalten und die Zulässigkeit der Beschwerde wegen der Ähnlichkeit der Verfahren den Bestimmungen über die Berufung in Zivilsachen anzugleichen (vgl. die Amtliche Begründung, BT-Drucksache 11/4155), dafür, die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde nur dann vom Erreichen des Beschwerdewerts abhängig zu machen, wenn das Beschwerdegericht in der Sache entschieden habe.
2. Der Beschwerdewert nach Hauptsacheentscheidung bemisst sich allerdings nicht nach dem Geschäftswert des Verfahrens, sondern allein nach dem Vermögenswertinteresse des Beschwerdeführers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung. Dies entspreche der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und Literatur (OLG Hamm, OLGZ 1971, 491; BayObLGZ 1990, 141 und WE 1991, 370; Bärmann/Pick/Merle, 6. A., § 45 Rdn. 22 u. a.). Die Auffassung des vorlegenden OLG Düsseldorf ( OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 27. 3. 1992, Az.: 3 Wx 29/92) sei damit abzulehnen.
In Wohnungseigentumssachen könne nichts anderes gelten als in Zivilsachen; dort werde ebenfalls stets für die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels auf den Beschwerdewert aus der Sicht der Person des Rechtsmittelführers abgestellt, also seiner Beschwer und seinem Änderungsinteresse (BGHZ 23, 205ff.; 57, 301/302). Der Wert des Beschwerdegegenstandes könne daher zwar niedriger, keinesfalls aber höher sein als die Beschwer aus der angefochtenen Entscheidung. Ein Rechtsmittelführer, dessen Interesse die Rechtsmittelsumme nicht erreiche, könne sich auch nicht auf ein höheres Interesse des Rechtsmittelgegners berufen. Auch in Wohnungseigentumssachen erhöhe sich die Beschwer des Beschwerdeführers nicht dadurch, dass die Entscheidung für die anderen Beteiligten bindend sei und der Geschäftswert gemäß § 48 Abs. 2 WEG auch nach deren Interesse an der Entscheidung festgesetzt werde.
Geschäftswert (Streitwert) und Beschwerdewert seien voneinander zu unterscheiden; sie stimmten nicht notwendigerweise überein. In der Regel seien zwar Beschwerdewert und Streitwert des Beschwerdeverfahrens identisch. Etwas anderes gelte aber dort, wo - wie in Wohnungseigentumssachen - die Zulässigkeit des Rechtsmittels und die Festsetzung des Streitwerts unterschiedlichen Anforderungen unterlägen.
Auch die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Zusammenrechnung des Beschwerdewerts bei Streitgenossen (BGH, NJW 81, 578) rechtfertigten kein anderes Ergebnis, weil Antragsteller und Antragsgegner in wohnungseigentumsgerichtlichen Verfahren keine Streitgenossen seien und die Gefahr divergierender Entscheidungen gegen einzelne Beteiligte hier nicht bestehe (vgl. § 45 Abs. 2 S. 2 WEG).
Der Senat verkenne nicht, dass die von ihm für richtig gehaltene Auslegung des § 45 Abs. 1 WEG (also Trennung zwischen Geschäftswert und Beschwerdewert) dazu führe, dass bei einem Streit über Maßnahmen, die für die Wohnungseigentümer von erheblicher Bedeutung seien, ein einzelner Wohnungseigentümer nicht mehr Beschwerde einlegen könne, wenn ihn die Maßnahme mit weniger als DM 1.200,- [heute: 1.500,-]belaste; dies habe der Gesetzgeber jedoch gesehen und in Kauf genommen (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung Nr. 20, BT-Drucksache 11/4155).
Keine außergerichtliche Kostenerstattung.
Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren DM 1.130,-.
Link zur Entscheidung
( BGH, Beschluss vom 17.09.1992, V ZB 21/92= NJW 92, 3305)
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