Prof. Dr. Dimitrios Stamatiades, Prof. Dr. Spyros Tsantinis
1. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 72
Der Erbe erwirbt die Erbschaft mit dem Anfall kraft Gesetzes ohne irgendeine Mitwirkung seinerseits (Art. 1846, 1711 grZGB). Jeder Erbe (mit Ausnahme des Staates, wenn er als gesetzlicher Erbe berufen wird, Art. 1847 grZGB) kann jedoch den Erbanfall durch Ausschlagung mit Rückwirkung auf den Erbfall wieder beseitigen (Art. 1847 grZGB). Wenn die Ausschlagung innerhalb der konkreten Frist nicht erfolgt, so gilt die Erbschaft als definitiv angenommen (Art. 1850 grZGB). Die Annahme ist eine einseitige, formlose (ausnahmsweise kann sie formbedürftig sein), nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Darüber hinaus ist sie unwiderruflich (Art. 1857 § 1 grZGB) und sie kann nicht mit einer Bedingung, Zeitbestimmung oder Teilung verknüpft werden (Art. 1851 S. 2 grZGB).
Rz. 73
Die Ausschlagung erfolgt durch einseitige Erklärung beim zuständigen Beamten der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts zur Niederschrift (Art. 1848 § 1 grZGB). Sie muss innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen, die i.d.R. vier Monate und ausnahmsweise ein Jahr beträgt, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland gehabt hat, als er von dem Anfall und dem Grunde des Anfalls Kenntnis erlangt hat. Bei testamentarischer Berufung beginnt die Frist frühestens mit der Eröffnung des Testaments (Art. 1847 grZGB). Die Ausschlagung ist formbedürftig, amtsempfangsbedürftig, vererblich (Art. 1854 grZGB), unwiderruflich, aber nicht übertragbar und nicht pfändbar. Sonstige Gültigkeitsvoraussetzungen sind in Art. 1851, 1852, 1853 grZGB enthalten.
2. Mehrheit von Erben – Miterbengemeinschaft
Rz. 74
Wenn mehrere Erben zur Erbfolge berufen werden, so entsteht eine Miterbengemeinschaft (Art. 1884 grZGB). Es handelt sich um eine Bruchteilsgemeinschaft, auf die die allgemeinen Vorschriften über die Gemeinschaft Anwendung finden (Art. 785–805 grZGB i.V.m. Art. 1113–1117 grZGB), sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Bruchteile erstrecken sich jedoch nicht auf das ganze Nachlassvermögen, sondern auf einzelne Gegenstände, da alle Nachlassgegenstände, nicht der Nachlass als Gesamtheit Gegenstand der Erbengemeinschaft sind.
Rz. 75
Nach Art. 1886 grZGB kann jeder der Miterben über seinen Anteil an dem Nachlass oder an den einzelnen Nachlassgegenständen verfügen. Darüber hinaus ist jeder Miterbe berechtigt, jederzeit die Teilung des Nachlasses zu verlangen (Art. 1887 grZGB). Die Teilung kann auch durch Vereinbarung der Erben oder – längstens auf zehn Jahre – durch den Erblasser ausgeschlossen werden (Art. 1887 S. 2 grZGB).
3. Die Erbenhaftung
Rz. 76
Für die Erben gilt der Grundsatz der unbeschränkten Haftung. Der Erbe haftet für Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich unbeschränkt, also mit dem Nachlass und dem Eigenvermögen (Art. 1901 grZGB), es sei denn, er nimmt die Erbschaft mit der Rechtswohltat des Inventars an (Art. 1904 grZGB). Die Haftungsbeschränkung durch die Annahme mit der Rechtswohltat des Inventars setzt voraus, dass der Erbe berechtigt ist, die Erbschaft auszuschlagen. Sie ist formbedürftig, denn sie muss beim zuständigen Beamten der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts erklärt werden (Art. 1902 § 1 S. 2 grZGB). Geschäftsunfähige oder beschränkt geschäftsfähige Erben haften immer beschränkt.
Rz. 77
Bei einer Miterbengemeinschaft hat jeder Miterbe die Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung unabhängig von den anderen. Dies gilt auch bezüglich mehrerer Erbteile, die einem Erben zukommen.