FinMin Baden-Württemberg, Erlaß v. 13.6.1997, S 4501 /6
1. Vorbemerkung
Der durch Art. 7 des Jahressteuergesetzes 1997 in § 1 GrEStG eingefügte Abs. 2 a knüpft an die Rechtsprechung des BFH zum zeitgleichen oder zeitnahen Wechsel der Gesellschafter einer grundbesitzhaltenden Personengesellschaft an (vgl. BFH-Urteil vom 6.3.1996, II R 38/93, BStBl 1996 II S. 377). Nach dieser Rechtsprechung führte nur der vollständige Wechsel der Gesellschafter nach einem vorgefaßten Plan unter Berücksichtigung des § 42 AO zu einem steuerbaren Rechtsträgerwechsel. Durch das Verbleiben eines Gesellschafters konnte die Besteuerung selbst dann vermieden werden, wenn dieser Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt war ( BFH-Urteil vom 31.7.1991, II R 17/88, BStBl 1991 II S. 891).
Der neue § 1 Abs. 2 a GrEStG unterwirft nunmehr Gestaltungen der Besteuerung, bei denen innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren der Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft derart ausgewechselt wird, daß bei wirtschaftlicher Betrachtung dieser Gesellschafterwechsel als ein auf die Übereignung eines inländischen Grundstücks gerichtetes Rechtsgeschäft anzusehen ist. Das ist stets der Fall, wenn 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen.
2. Personengesellschaft
Personengesellschaften i.S. des § 1 Abs. 2 a GrEStG sind insbesondere die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die OHG und die KG (einschl. der GmbH & Co. KG). Dazu gehören auch Personengesellschaften, deren Zweck sich nicht im Halten und Verwalten von inländischen Grundstücken erschöpft.
3. Vermögen der Personengesellschaft
Die Regelung betrifft nur diejenigen Grundstücke, die während des Zeitraums durchgängig zum Vermögen der Personengesellschaft gehören, in dem sich der vollständige oder wesentliche Wechsel des Gesellschafterbestands vollzieht. Zum Vermögen einer Personengesellschaft gehören nicht nur die Grundstücke, die sich bereits im Eigentum der Personengesellschaft befinden oder deren Erwerb nach § 1 Abs. 1 GrEStG steuerbar gewesen ist, sondern auch solche Grundstücke, über die die Personengesellschaft die Verwertungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 GrEStG (z.B. durch ein unwiderrufliches Verkaufsangebot) erlangt hat.
4. Wesentliche Änderung des Gesellschafterbestands
Eine wesentliche Änderung des Gesellschafterbestands ist anzunehmen, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Übertragung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft darstellt. Der Gesellschafterbestand kann sich durch Übergang von Gesellschaftsanteilen auf neue Gesellschafter (derivativer Erwerb) oder durch Erwerb zusätzlicher Gesellschaftsanteile durch neue Gesellschafter (originärer Erwerb) ändern. Änderungen der Beteiligung der Altgesellschafter am Gesellschaftsvermögen sind nicht zu berücksichtigen.
4.1 Derivativer Erwerb
Beim derivativen Erwerb liegt eine wesentliche Änderung des Gesellschafterbestands stets vor, wenn mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Gehen weniger als 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter über, ist zu prüfen, ob sich der Gesellschafterbestand so wesentlich geändert hat, daß dies wirtschaftlich der Entstehung einer neuen Gesellschaft gleichzusetzen ist, auf die das Grundstück übergeht. Hierbei sind insbesondere zu berücksichtigen:
a) Die Zuteilung von Rechten, die über die übergehende Beteiligung am Gesellschaftsvermögen hinausgehen, z.B. von Stimmrechten, Geschäftsführungsbefugnissen oder Genehmigungsvorbehalten für bestimmte Rechtsgeschäfte (Beispiel 4.2.1),
b) weitere Veränderungen der Vermögensbeteiligungen durch bloße Kapitaländerungen (Beispiel 4.2.2),
c) Treuhandverhältnisse sowie mittelbare Beteiligungen (Beispiel 4.2.3),
d) Änderungen der Beteiligungsverhältnisse bei einer Komplementär-GmbH (Beispiel 4.2.4).
4.2 Beispiele
4.2.1 Eine Gesellschaft besteht aus fünf Gesellschaftern, die jeweils zu 20 % am Vermögen beteiligt sind. Vier Gesellschafter übertragen ihre Anteile auf neu hinzutretende Gesellschafter, wobei die Stimmrechte des verbleibenden Altgesellschafters durch gesellschaftsvertragliche Abreden so eingeschränkt werden, daß den neuen Gesellschaftern eine beherrschende Stellung zukommt.
4.2.2 Eine Gesellschaft besteht aus fünf Gesellschaftern, die jeweils zu 20 % am Vermögen beteiligt sind. Das Gesellschaftsvermögen beträgt 100.000 DM. Drei Gesellschafter übertragen ihre Anteile auf neue Gesellschafter. Anschließend wird innerhalb des Fünfjahreszeitraums das Vermögen auf 1 Mio. DM im Weg der Kapitalerhöhung aufgesteckt, wobei das zusätzliche Kapital ausschließlich auf die Anteile der hinzugetretenen Gesellschafter entfällt. Da die Altgesellschafter weiterhin zusammen nur zu 40.000 DM am Vermögen der Gesellschaft beteiligt bleiben, sind auf die Neugesellschafter insgesamt 96 % der nunmehr bestehenden Anteile übergegangen.
4.2.3 An der Komplementär-GmbH, die 20 % der Anteile einer GmbH & Co. KG hält, ist zu 70 % eine weitere GmbH beteiligt, deren gesamte Anteile veräußert werden. ...